La Balanza e.V. Böttingen
  Februar 2020
 

Auszug aus der Mail (dem Anschreiben) von Lara mit dem nachfolgenden Bericht vom 24. Februar 2020: 
Hallo Klaus,
ich habe mich in meiner ersten Woche in Mantay sehr gut eingelebt und bedauere es jetzt schon, nur vier Wochen dort zu sein.

Cusco, 24. Februar 2020
Geschreiben von Lara Leibold

Ich habe in dieser Woche so viel erlebt, dass mir das Wochenende echt geholfen hat, alles zu reflektieren und zu verarbeiten
Als ich am Montagmorgen aufwachte, hatte ich zwar sehr gut geschlafen, war aber unglaublich traurig, weil ich zum ersten Mal seit vier Monaten nicht in die Aldea gehen würde. Ich hatte Lust, einfach nur im Bett zu bleiben, doch raffte mich dann auf, um pünktlich in die Casa Mantay zu kommen. Kurz zur Erklärung: Casa Mantay ist ein Heim für Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren, die Kinder haben. Sie werden dort aufgenommen, lernen, für ihr Kind zu sorgen, es zu lieben, zu kochen, zu putzen und bekommen eine Ausbildung im Herstellen von „Artesanias“ und in Floristik. Mit 18 Jahren müssen sie das Heim zwar verlassen, werden aber an einen Arbeitgeber vermittelt oder können weiterhin in den Werkstätten von Mantay arbeiten. Ich wurde dort von Lorena, der Koordinatorin empfangen, die mir kurz den Stundenplan erklärte und dann ging es auch gleich los.
Für den ersten Morgen war ich in der Küche eingeteilt und mit mir zusammen eine der Mamas. Ich kannte sie schon, weil ich bei unserem Besuch im Dezember schon mit ihr geredet hatte und meine Mutter ihre Tochter ganz lang auf dem Arm hatte. Auch sie erinnerte sich daran und erkundigte sich gleich, wie es meiner Mutter ginge. Das war voll süß. Den Morgen verbrachte ich dann damit, Kartoffeln und Karotten zu schälen und zu schneiden und danach jede Menge Geschirr abzuspülen. Die Arbeit im Mantay hatte ich mir zwar etwas anders vorgestellt, allerdings habe ich es genossen für mich zu arbeiten. Ich hätte gerne etwas mehr mit dem Mädchen geredet, allerdings wusste ich nicht wirklich über was und hatte auch Angst ein problematisches Thema anzuschneiden. Die Zeit verging ziemlich schnell und dann gab es auch schon unser zubereitetes Mittagessen. Dabei lernte ich endlich einige der anderen Volontäre kennen und war positiv überrascht. Die Meisten von ihnen sind Deutsche oder Deutschsprachige aus der Schweiz oder aus Südtirol. Mit ihnen verstand ich mich sofort sehr gut und war froh, gleich Anschluss gefunden zu haben.


Spielen mit den ganz Kleinen im Garten von Casa Mantay.
Foto: Lara Leibold

Am Dienstag war ich dann mit den Babys eingeteilt, was mir total Spaß gemacht hat. Wir spielten den ganzen Morgen mit ihnen und zwischendurch gab es zweimal Essen für sie. Außerdem nutzten wir das schöne Wetter aus und gingen mit ihnen in den wunderschönen Garten des Heims. Manchmal gab es jedoch schwierige Situationen, weil sie beispielsweise sehr grob sind und wenn sie sich um ein Spielzeug stritten, kam es öfters vor, dass sie sich kratzten, bissen, schlugen und Haare ausrissen, wobei erschreckend viel Blut floss. Auch bei den Malzeiten war es für uns echt anstrengend, weil die meisten keine Lust hatten zu essen und entweder gleich den Löffel wegschlugen oder das zerkleinerte Essen wieder ausspuckten. Der Tag war ziemlich anstrengend, aber ich war danach durch die Arbeit mit den Babys echt glücklich.


Der kleine John hat Spaß beim Schaukeln. Foto: Lara Leibold

Am Mittwoch sollte ich dann auf die Drei- bis Fünfjährigen aufpassen und schon bevor es losging, verkündete Lorena, dass dies die „Terremotos“ (Erdbeben) seien. Doch am Anfang war alles sehr ruhig. Sie wollten, dass ich ihnen vorlas oder spielten nur für sich. Als sie so langsam etwas lauter wurden, beschlossen wir mit ihnen in den Park zu gehen, wo es Trampoline, Rutschen, Schaukeln und Klettergerüste gab. Als wir wieder zurück mussten, weil es auch für sie zwischendurch eine kleine Stärkung gab, wollten sie aber nicht mehr aufhören zu spielen und wir hatten Probleme, sie wieder zurück zu bringen. Durch die viele Bewegung waren sie aufgedreht und konnten nicht mehr ruhig sitzen als es Essen gab. So langsam verstand ich, warum Lorena sie mit diesem Begriff bezeichnet hatte. Es gab für sie Kartoffeln zu Mittag und anstatt diese zu essen, fanden sie es witzig, sie mit ihrem Tee zu vermischen und mit den Händen zu zerkneten. Dies gab natürlich eine Riesensauerei und essen wollte am Ende seinen Brei niemand. Wir beschlossen, sie nun spielen zu lassen und bevor wir uns versahen, hatten sie ihren ganzen Spieleschrank ausgeräumt und das Chaos war perfekt. Nach einigen Streits um verschiedene Spielzeuge, war die Zeit gekommen, aufzuräumen. Die Kinder wussten das genau und rannten auf einmal alle aus dem Raum, sodass wir Volontäre gemeinsam mit einer Mutter alleine aufräumen mussten. Für das nächste Mal merke ich mir, immer etwas für die kleinen Wirbelwinde vorbereitet zu haben, damit sie gar nicht die Gelegenheit haben, sich mit etwas anderem zu beschäftigen und alles durcheinander zu bringen.


Vorbereitungen für die Karnevalsfeier: :Der Baum wird geschmückt .
Foto: Lara Leibold

Am Donnerstag war dann Karneval in Mantay angesagt. Ich war wieder in der Küche eingeteilt, doch da an diesem Tag ein traditionelles Gericht draußen über offenem Feuer gekocht wurde, hatten wir Volontäre in der Küche fast nichts zu tun und konnten die Zeit dort verbringen, wo wir wollten. Wir gingen in den Garten, wo wieder die Sonne schien und fast alle Kinder und Mütter mit ihren Betreuern waren. Dort wurde nämlich die große Karnevalsfeier vorbereitet. Es wurde ein großer Eukalyptusbaum mit Luftballons, Luftschlangen und kleinen Geschenken geschmückt und aufgestellt, während die Jungs schon ihre Wasserbomben füllten. An Karneval ist es in Cusco nämlich Brauch sich gegenseitig nasszumachen. Den Anfang machte dann einer der Erzieher, indem er einem der Mädchen einen Wassereimer über den Kopf goss. Sofort stürzten sich Kinder, Mütter, Personal und Volontäre ins Geschehen und wir mussten schnell die Babys vor dem Wasser retten, die schon zu weinen anfingen, bevor auch wir in die Wasserschlacht einfielen. Danach waren wir alle klatschnass und der Rest des Tages lief eher ruhig ab, da alle geschafft waren, und zum Mittagessen gab es dann noch das traditionelle Gericht, das aus Lammfleisch, Choclo (Maiskolben), verschiedenen Kartoffeln und Kohl bestand. Wir Volontäre waren alle überrascht, wie lecker dies alles zubereitet wurde und hauten uns den Magen voll. Mittags folgten die Bewohner von Mantay dann noch dem Brauch und tanzten um den Baum herum, bevor sie in schließlich fällten und sich über die Geschenke, die daran hingen, hermachten.

 
Links: Nach der Anstrengung aller Volontäre steht endlich der Baum..
Rechts: Hier wird das traditionelle Karnevalsessen
zubereitete. Fotos: Lara Leibold


Lange war der Teller nicht so voll, wie auf dem Bild. Foto: Lara Leibold

Die ganze Woche hatte ich mir den Freitag hergesehnt, da ich an diesem Tag nachmittags arbeiten und so morgens die Aldea Yanapay besuchen konnte. Ich konnte es vor Freude kaum erwarten, als ich an dem Tor klopfte. Als ich eintrat kam gleich eine ganze Schar Kinder auf mich zugestürmt und die Nachricht, dass Profe Lara zurückgekehrt sei, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Ich wurde mit Fragen überschüttet, wie lange ich dieses Mal bleiben würde und welche Familie und welchen Workshop ich übernehmen würde, musste jedoch viele enttäuschen, dass ich nur zu Besuch gekommen war. Es war schön, wieder mit den Kindern zu reden und viele wollten genau erklärt bekommen, wie mein neues Projekt war. Es rührte mich, dass sie sich so über meine vermeintliche Rückkehr freuten und mich nicht gleich wieder vergessen hatten. 
Durch diesen Zuspruch gestärkt, fuhr ich Mittags dann wieder zum Casa Mantay. Dort fand um 14 Uhr erst mal die „reunión“ der Volontäre statt. Jeder durfte erzählen, wie er sich die Woche über gefühlt hat und es wurden kommende Veranstaltungen und der neue Stundenplan besprochen. Lorena erzählte uns, dass am kommenden Mittwoch traditionell die Bewohner von San Jerónimo, dem Stadtteil, in dem Casa Mantay liegt, auf den höchsten Berg der Umgebung steigen und auch einige der Mädchen immer teilnehmen. Der Aufstieg soll sehr anstrengend und lang sein und um 5 Uhr morgens soll es losgehen. Dies schreckte uns erst einmal ab, jedoch soll es echt eine schöne Veranstaltung sein, die auch von Musik und Tänzen begleitet wird, sodass wir uns alle noch einmal überlegen, ob wir nicht doch daran teilnehmen wollen. Ich habe zwar nicht wirklich Lust darauf, mich so früh am Morgen auf einen Berg hoch zu quälen, allerdings glaube ich, dass dies echt eine interessante Erfahrung ist, die man als normaler Tourist auch nicht macht.
Über diesen Ausflug hinaus, redeten wir noch über den 8. März, dem internationalen Tag der Frau. In der Woche davor sollen verschieden Workshops und Aktionen zu dem Thema stattfinden und wir Volontäre sollen uns dafür etwas erklären. Normalerweise gehen die Mädchen auch immer auf die große Demonstration, die an diesem Tag in Cusco stattfindet. Diese fällt dieses Jahr allerdings auf einen Sonntag, sodass sie nicht gehen können. Deshalb schlug ich vor, dass wir unsere eigene Demonstration durch San Jerónimo organisieren könnten, so wie wir es in Yanapay für den 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, gemacht haben. Ich finde es sehr wichtig, dass dieses Thema im Heim behandelt wird, da schließlich alle der Mädchen dort ihrer Rechte beraubt wurden und ihnen bewusst gemacht werden muss, dass sie sich wehren können und müssen.
Nach der Reunión war ich dann wieder bei den Drei- bis Fünfjährigen eingeteilt. Ich ging zuerst mit ihnen in den Garten, in der Hoffnung, dass sie dort ein bisschen runterkommen würden. Als wir dann in unser Zimmer gingen, kam eine Lehrerin, die sich ein Programm für den Mittag überlegt hatte und ich war froh, die Verantwortung teilen zu können, obwohl auch ich mir dieses Mal etwas überlegt gehabt hatte. Ihre Idee gefiel mir aber besser, da sie „mazamorra de chocolate“ mit den Kindern machen wollte. „Mazamorra“ ist ein in Peru sehr beliebtes Getränk oder auch Nachtisch. Es ist vergleichbar mit Pudding und es gibt verschiedene Geschmacksrichtungen, normalerweise wird aber der lilafarbene Mais dafür verwendet. Schokolade hatte ich bisher noch nie gesehen und da wir es auch noch selbst zubereiten würden, war ich mindestens genauso begeistert wie die Kinder. Wir schmolzen Schokolade und gaben Milch, Zucker und ein Bindemittel, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere, dazu und schon war unsere mazamorra de chocolate fertig.
Ich hatte gerade meine Portion fertig gegessen, als eine der Erzieherinnen mich heraus bat und mir verkündete, dass ich nun mit ein paar der Mädchen ins Gesundheitszentrum gehen würde, wo sie immer ein Medikament abholen müssen. Dort wurde ich dann einer Mutter zugeteilt, die sich morgens beim Kochen ziemlich tief geschnitten hatte. Man sah ihr ihre Schmerzen und ihre Angst an und ich sollte sie begleiten und ihr Sicherheit geben. Wenn ich zum Arzt gehe, brauche ich selbst noch meine Mama, damit sie mir sagt, dass alles gut wird und jetzt sollte ich auf einmal diesen Job übernehmen bei einem fast fremden Mädchen, das nur zwei Jahre jünger ist und in ihrem Leben schon viel mehr durchgemacht hat als ich. In diesem Moment sah man ihr aber ihre Unsicherheit und Verletzlichkeit an und sie suchte die ganze Zeit meinen Blickkontakt und ich tat mein Bestes, ihr Mut zuzusprechen, obwohl auch mir ihre Schnittwunde, die schon den ganzen Tag nicht aufhörte zu bluten, Angst machte. Die Wunde musste genäht werden und ich konnte kaum hinsehen, während das Mädchen selber alles ganz genau beobachtete. Sie war unglaublich stark, ich war ziemlich stolz auf sie und hoffte, dass ich sie ein wenig unterstützen konnte.

Neben dem Projekt, fuhr ich jeden Tag ins Zentrum von Cusco, da ich sowohl das Ambiente dort, als auch meine Freunde vermisste. Am Montag traf ich mich mit einer Spanierin, die im Oktober als Volontärin da war (vielleicht erinnert sich noch jemand an Sheila) und nun wieder nach Cusco gekommen war, um hier für ein Jahr zu arbeiten. Ich freute mich sehr auf das Wiedersehen und es war schön, mal wieder mit ihr zu reden, wobei mir auffiel, dass ich nun viel mehr und viel besser mit ihr reden konnte, was zeigt, dass sich mein Spanisch wohl tatsächlich ziemlich verbessert hat. Zum Quiz am Mittwoch ging ich selbstverständlich auch und am Donnerstag ging ich mit Freunden feiern und verbrachte sogar die Nacht in der „Villa Mágica“. Auch das Hostelpersonal freute sich, mich wiederzusehen.
Am Samstagmorgen fuhr ich dann früh am Morgen mit zwei Volontären nach Lamay, wo Yuri an diesem Wochenende das „fin de semana mágico“, also das magische Wochenende veranstaltete.


Das "fin de semana mágica" in Lamay mit Yuri (4. von links) und Lara (9. von links).
Foto: Aldea Yanapay Lamay

Ich wusste nicht so genau was ich erwarten sollte, nur dass es wohl sehr meditativ werden würde. Am Samstag beschäftigten wir uns damit unsere Gedanken, Emotionen, Dankesworte und Bitten auszudrücken und zu formulieren und am Sonntag machten wir dann zusammen ein „Temazcal“, eine Art Sauna. Dabei betraten wir alle eine Art Ofen und es wurden heiße Steine rein gelegt, über die verschiedene Kräuterauszüge geschüttet wurden, die den Körper und die Seele reinigen sollten.


Die Teilnehmer an der Temazcal mit Lara Leibold (7. von links) und Yuri (12. von 
links). Im Hintergrund die Temazcal. Foto: Aldea Yanapay Lamay

Es gab vier „Türen“, also vier Abschnitte. Der erste Abschnitt wurde dem Element des Feuers gewidmet. Noch war es nicht so heiß und es drang auch noch Licht herein, während im zweiten Teil alles komplett verschlossen wurde und es komplett dunkel war. Auch wurde es heißer und der Teil wurde dem Element des Windes zugeordnet. Wir sangen viel und formulierten wieder unsere Dankesworte und Bitten. Im dritten und vierten Abschnitt wurde es dann immer heißer und die Luft immer knapper, sodass ich am Ende dachte, ich halte es nicht mehr durch. Allerdings wollte ich nicht so kurz vor Ende aufgeben und als ich nach den vier Stunden dann mit den anderen das Temazcal wieder verließ, war ich zwar komplett müde, aber fühlte mich unglaublich befreit.


Bei der Zeremonie wurden die Bitten aller Teilnehmer an ein Despacho (Foto)
gerichtet und energetisch darin gespeichert. Das Despacho wurde danach in der
Pachamama (Mutter Erde) begraben, damit die Bitten in ihr gedeihen und sich
so erfüllen können. Foto: Yuri

Diese Erfahrung war etwas sehr anderes, was ich bisher nicht kannte aber auch wunderschön, weil auch der Zusammenhalt unserer Gruppe deutlich wurde, weil sich alle gegenseitig sowohl körperlich, als auch geistlich unterstützten. Und so kam ich am Sonntagabend dann müde aber im Frieden mit mir selbst wieder in Cusco an und freute mich auf die restlich drei Wochen, die ich hier verbringen werde.


Lara (links) im Meditationsraum von Yuri in Lamay. Foto: Yuri

Ich habe in dieser Woche so viel erlebt, dass mir das Wochenende echt geholfen hat, alles zu reflektieren und zu verarbeiten. Die Erlebnisse und das Schicksal der Mädels in Mantay rühren mich sehr. Sie scheinen schon erwachsene Frauen zu sein mit Arbeit und Kindern. Wenn ich morgens ankomme, putzen sie schon das ganze Haus. Danach müssen sie kochen, sich um die Kinder kümmern, in der Werkstatt arbeiten und auch an ihren akademischen Kenntnissen arbeiten. Dann ist es schon 19 Uhr, es gibt Abendessen und sie gehen ins Bett, um teilweise die ganze Nacht von ihren Kindern wachgehalten zu werden und dann um fünf Uhr wieder aufzustehen, sich und ihre Kinder zu waschen und anzuziehen, zu putzen und schon geht der ganze Kreislauf von vorn los. Und wo bleibt da die Zeit, um Kind zu sein? Die jüngste Mutter ist zwölf Jahre alt und hat genau diesen Alltag, dabei ist nicht nur sie, sondern auch alle anderen, bis zu den 18-jährigen ein Kind. Ich finde auch obwohl sie Mütter sind und natürlich gezwungenermaßen schon erwachsen sein müssen, sollten sie trotzdem den Raum und die Zeit haben, spielen zu können, für sich sein zu können, machen zu können was sie wollen. Am Donnerstag habe ich gesehen, wie sie es genießen, mal für einen Moment ihre Kinder abzugeben und zu spielen, sich mit Wasser zu bespritzen. Ich würde mir vom Projekt wünschen, auch diese Bedürfnisse zu beachten. Natürlich ist es wichtig, dass sie lernen, den Haushalt zu schmeißen und zu arbeiten, aber deshalb sollten sie trotzdem noch Kind sein dürfen. Eine Volontärin hat eine Spielestunde pro Tag vorgeschlagen, in der sie machen können, was sie wollen. Ich hoffe, dass dieser Vorschlag von Lorena angenommen wird, denn ich bin mir sicher, das würde den Alltag für sie einfacher machen.
Anmerkung von Klaus Flad
Böttingen, 25.02.2020
Liebe Lara,
neue Erfahrungen erfordern oft, dass wir uns, wie du schreibst, aufraffen. Dafür danke ich dir ebenso, wie für deine Offenheit. Das Gefühl, das sich bei dir nach der Zeremonie in Lamay einstellte, nennt man auch "Energietransfer". Man kennt ihn von der Phase nach Sport, nach der Sauna und auch von der Phase nach energetischer Reinigung und Klärung (auch Läuterung genannt). Danke, dass du mitgemacht hast. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß in der Casa Mantay.
Liebe Grüße
Klaus

Cusco, 20. Februar 2020
Geschreiben von Lara Leibold

Ich bin voll mit Gefühlen, Emotionen und Gedanken, die unmöglich in Worte zu fassen sind / Jedem Neuanfang liegt ein Zauber inne

Nun war es also soweit: Meine letzte Woche in der Aldea Yanapay brach an. Der Augenblick, der immer weit in der Zukunft zu liegen schien, war auf einmal gekommen. Diese „Neuigkeit“ sprach sich schnell im ganzen Projekt herum und ich wurde jeden Tag sowohl von den Kindern: „Bitte geh nicht!“ und von den anderen Volontären: „Last week!“ darauf aufmerksam gemacht. Ich wollte allerdings gar nichts davon hören und meine letzte Woche ohne Gedanken an den Abschied verbringen, was gar nicht so einfach war, da mein Abschied eben das Gesprächsthema war. Das führte aber auch dazu, dass viele Kinder noch einmal verstärkt mit mir Zeit verbringen wollten, was mich auch sehr freute.


Die ganze Woche lag Diego mir mit "geh nicht Profe" in den
Ohren. Er wollte natürlich nicht auf ein Abschiedsbild verzichten.
Foto: Volontär Lars

Noch mehr Aufregung verbreitete allerdings das Projekt, das Oihane am Montag verkündete. Es sollte ein Videoclip zu einem der Yanapay-Lieder „Madre Tierra“ gedreht werden. Dafür durfte jeden Tag eine andere Familie die Schule verlassen, um an einem Ort Cuscos ihre Szene zu drehen. Das versetzte die Kinder natürlich in Begeisterung. Mauricio verkündete laut, dass er am Donnerstag, wenn die Dreharbeiten für die Wayras stattfinden sollten, einen Sonnenhut und Wasser mitbringen würde. Wir machten ihn darauf aufmerksam, dass es bei dem Klima in Cusco wohl praktischer wäre, einen Regenschirm mitzunehmen. Er fragte mich, ob ich meinen mitbringen könnte und als ich erwiderte, dass ich hier keinen dabei habe, meinte er, wo denn das Problem sei, ich könnte doch einfach einen aus meinem Haus in Deutschland mitbringen. Das versetzte uns alle ins Lachen. Bisher hatte ich noch nie darüber nachgedacht, aber Mauricio – und er ist bestimmt nicht der Einzige – hat die ganze Zeit über gedacht, ich würde jeden Tag von Deutschland anreisen. Als dann der große Tag gekommen war und wir unseren Teil des Videos drehen sollte, regnete es natürlich, wie sollte es auch anders sein und wir durften die Schule nicht verlassen. Dies stimmte mich ein bisschen traurig, weil ich gerne diese Erfahrung mit meiner Familie gemacht hätte. Dafür hatten wir aber eine weitere schöne Familienstunde.
Diese Woche übernahm ich wieder den Englischworkshop und auf Wunsch von Antonio, Mauricios großem Bruder, bereitete ich einen Song von der Band „Twentyone Pilots“ vor. Er und ein weiterer älterer Junge überraschten mich unglaublich. Sie hatten keine Probleme, den nicht ganz einfachen Test zu verstehen und konnten alle Lücken, die ich in den Liedtext eingefügt hatte, ausfüllen. Auch als es ans Übersetzen ging, meisterten sie das souverän. Außerdem sah man sie die ganze Woche mit dem Songtext in der Hand und diesen auswendig lernend. Es freut einen echt, wenn es so gut ankommt, was man für die Kleinen vorbereitet.


Der harte Kern des Englisch-Workshops (von links): Mauricio, José, Lara, Antonio,
Carolina und Honrey. Foto: Volontär Lars

Das Thema der Woche war natürlich Valentinstag. Allerdings nicht die kommerzielle Idee des Festes, sondern der „Tag der Liebe und der Freundschaft“, wie er in Peru gefeiert wird. Wir beschäftigten uns mit den Fragen, was Freundschaft für uns ist, wie ein guter Freund sein sollte, was man für seinen Freund tut und was ein Freund für einen tun sollte. Außerdem bastelten wir Karten und kleine Geschenke für Freunde und Familie. Die logistische Organisation in dieser Woche war etwas schwierig, weil das Dach der Aldea kaputt gegangen war und es in den oberen Stockwerken zunächst ins Gebäude tropfte und schließlich überall Risse zu sehen waren und die Decke sich nach Innen wölbte, als wäre Wasser darauf angesammelt. Dies bereitete uns Sorgen und das obere Stockwerk wurde abgesperrt und so fanden sich die Familien Wayra und Soncco auf einmal in einem Zimmer wieder, was zunächst für Schwierigkeiten sorgte, weil die Sonccos nicht mit den „kleinen“ Wayras und die Wayras nicht mit den „bösen“ Sonccos zusammenarbeiten und teilen wollten. Nachdem dann aber sämtliche Vorurteile aus dem Weg geräumt waren, arbeiteten die zwei Familien friedlich nebeneinander her. Nur am Freitag gab es ein paar Konflikte, da ich für meine Familie Kleinigkeiten besorgt hatte, als Abschiedsgeschenk. Die Jungs bekamen Jojos und die Mädchen pinke Glitzerhaargummies. Das machte die Sonccos etwas neidisch, doch sie verstanden schnell, warum nur die Wayras ein extra Geschenk bekamen.


Die Familie Wayra am Tag des Abschieds: Harold,
Gimena, Lara, Diego und Mauricio. Foto: Volontärin Marie

Nach der Show war dann der Moment des Abschieds gekommen. Ich war die einzige Volontärin, die in dieser Woche verabschiedet wurde, was die ganze Situation noch emotionaler machte. Ich versuchte meine Tränen zurückzuhalten, während ich den Dankesworten der Kinder zuhörte, doch irgendwann musste ich kapitulieren und ließ ihnen freien Lauf. Ich war überrascht, wie viele Kinder mir etwas sagen wollten und manche dankten mir zum Beispiel für alles, was sie in Englisch von mir gelernt haben. Dabei waren sie nur eine Stunde im Workshop gewesen. Das zeigte mir, dass sie sich wirklich an jede Kleinigkeit erinnern und einem dafür dankbar sind. Auch der Volontär Benito, der seit meinem ersten Tag an meiner Seite war und Oihane richteten ihre Worte an mich. Dabei mussten wir alle weinen und auf einmal hob ein Mexikaner, der am Anfang des Jahres schon einmal Volontär und am Donnerstag zurückgekehrt war, wodurch ich noch kein Wort mit ihm gewechselt hatte, die Hand und improvisierte ein kleines Gedicht über meine Tränen. Dass sie Ausdruck der Freude sind, zeigen, was mir die letzten Monate bedeuten und wie die Aldea ein Teil meines Lebens geworden ist. Und damit hatte er Recht. Ich war in diesem Moment zwar traurig, aber viel mehr glücklich und gerührt über all die Erfahrungen, Erkenntnisse und alles was ich in der Zeit gelernt habe. Nachdem auch ich den Kindern danken konnte, kam eine Flut von Umarmungen auf mich zu.


Am Schluss gab es ganz viele Umarmungen. Foto: Volontärin Scarlett

Ich war wie erschlagen von all der Liebe und Zärtlichkeit, die ich bekam. Viele der Kinder weinten mit mir, doch danach fühlte ich mich getröstet und bestätigt, weil die Gefühle und Emotionen, die ich während der vier Monate erfahren hatte, nicht nur einseitig waren, sondern auch von ihnen erwidert wurden. Nach diesem emotionalen Moment drehten auch wir Profes unsere Szene des Videoclips zu „Madre Tierra“. Dies war noch einmal wie eine Reflexion der ganzen Zeit, weil ich mich zu hundert Prozent wohl und geborgen fühlte und die Ausgelassenheit, die ich in Yanapay jeden Tag zu spüren bekam, selbst erleben konnte. In diesen Tagen reflektiere ich natürlich meine ganze Zeit hier. Der Tag als ich ankam, keine Ahnung hatte, mit wem ich reden sollte, lieber im Bett blieb, weil ich nicht wusste, wie ich auf die anderen Volontäre zugehen sollte, die ersten Begegnungen, meine Verzweiflung, weil ich mit der Sprache noch nicht wirklich mitkam und Angst hatte, dass sich das nie verbessern wurde. Dann der Tag als Sheila ankam und ich mich plötzlich sicherer fühlte, weil sie mit mir redete und die erste Person war, die wusste, dass ich Spanisch sprechen kann. Da sie vor zwei Wochen nach Cusco zurückgekommen war, muss ich gerade sehr viel daran denken. Dann der erste Schultag, als die Kinder mich herzlich begrüßten und im „círculo de amor“ mit unmöglichen Fragen löcherten, als ich auf einmal sicher war, dass ich mit diesem Ort etwas sehr Besonderes gefunden hatte und er für mich wie ein Zuhause sein würde. Und so fühlt es sich nun auch an. Sowohl „Villa Mágica“, das Hostel des Projekts, als auch die Schule selber sind für mich jetzt ein Ort, wo ich mich geborgen fühle und wo ich eine Menge gelernt habe. Ich habe gelernt, offener gegenüber anderer Menschen zu sein, jetzt habe ich kein Problem mehr damit, fremde Leute anzusprechen und ich habe mich auch mit allen Volontären, die kamen, sofort angefreundet. Von den Kindern habe ich natürlich das Meiste gelernt. Jeden Tag bin ich schlauer von der Aldea heim gekommen. Ich habe gelernt, meine Emotionen zuzulassen und zu zeigen und andersrum auch Komplimente, Zärtlichkeit und Liebe zu empfangen. Die Kinder waren für mich meine kleinen Lehrer und haben meine Sichtweise komplett umgekrempelt und zusätzlich zu meinem Schulabschluss habe ich nun auch noch einen anderen Sichtwinkel mit zusätzlichen Erkenntnissen, die mir noch gefehlt haben.


Abschiedsbild mit allen Volontären. Selfie: Volontär Will

Mein letztes Wochenende, das ich im Zentrum Cuscos verbringen würde, habe ich dann mit den anderen Volontären nochmal ordentlich ausgenutzt.


Abschlussessen mit allen Volontären. Selfie: Elena

Am Freitag sind wir ausgegangen, um am Samstag nach ausgiebigem Ausschlafen gut frühstücken zu gehen. Außerdem hatte eine Freundin Geburtstag und lud uns am Abend in ihre Wohnung ein, um mit ihr zu feiern. Am Sonntag gingen wir dann auf eine Wandertour zum „balcon del diablo“ (Balkon des Teufels), einem großen Felsen, in dessen Inneren eine Höhle ist, durch die ein Bach fließt. Die Landschaft rund um Cusco ist wunderschön und ich war froh, diesen Ort noch gesehen zu haben.

 
Auf dem Weg zum "balcon del diablo". Foto: Lara Leibold


Der "balcon del diablo" beeindruckt durch sein massives Gestein.
Foto: Lara Leibold


Im Innern des Felsens. Foto: Lara Leibold

Am Abend zog ich dann schon ein in meine neue Wohnung in San Jerónimo, einem Stadtteil Cuscos, der ziemlich weit weg vom Zentrum, jedoch direkt bei Casa Mantay, meinem nächsten Projekt, liegt. Einige Freundinnen begleiteten mich noch und wir aßen zusammen Pizza. Als sie Nachhause gegangen waren, überkam mich plötzlich ein Gefühl der Einsamkeit. Nachdem ich die vorherigen vier Monate in einem Zehnerzimmer im Zentrum verbracht hatte, war ich nun ganz allein in einer riesigen Wohnung, sehr weit vom wilden Treiben in Cusco entfernt. Doch wie sagt man so schön? „Jedem Neuanfang liegt ein Zauber inne“ und ich freute mich definitiv auf das, was mich am nächsten Tag erwarten würde und fand es auch schön, einmal ein bisschen für mich allein zu sein, um Nachzudenken und all die Eindrücke und Erkenntnisse der letzten Monate zu verdauen. Außerdem bin ich mir sicher, dass mich sowohl im neuen Projekt, als auch auf meiner Reise danach wunderschöne Dinge erwarten und auch meine Rückkehr nach Deutschland ist nun absehbar, worauf ich mich auch wieder freue. An diesem Bericht habe ich viele Stunden gesessen, weil ich aus meinem Abschlussbericht von Aldea Yanapay etwas ganz Besonderes machen wollte, doch ich habe lange nicht die Worte gefunden, die dieser Erfahrung gerecht werden. Ich bin voll mit Gefühlen, Emotionen und Gedanken, die ich gerne teilen würde, die aber unmöglich in Worte zu fassen sind. Ich hoffe, ich konnte wenigstens einen kleinen Eindruck davon vermitteln, was die Zeit hier mit mir gemacht hat.
Böttingen, 20.02.2020
Anmerkung von Klaus Flad
Man liest auch zwischen den Zeilen
Liebe Lara,
du hast recht: Für die intensivsten Dinge im Leben fehlen uns oft die Worte. Es ist nicht leicht über all das zu reden, was bei intensiven Emotionen energetisch in uns vorgeht, welche Energien in uns im Fluss sind, wohin sie fließen und was sie bewirken. Manchmal fehlen uns Worte und manchmal sind wir in der glücklichen Situation auf vielleicht sogar humorvolle Art und Weise neue Worte zu kreieren. Aber: Jeder der möchte (oder treffender: jeder, für den es stimmig ist), der kann in diesem deinem Bericht des Abschieds von Aldea Yanapay auch "zwischen den Zeilen lesen". Die Energie, die in dir beim Schreiben des Berichts wirkte, wird auf anderer Ebene, sozusagen "zwischen den Zeilen"  mitgeliefert. Oder nennen wir es treffender angeboten? Denn diese Energie wird all diejenigen erreichen, für die es stimmig ist und zwar exakt in dem Moment, in dem es angebracht ist, nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Leser bereit ist, sich darauf einzulassen.
Ich danke dir, dass du bereit bist, diese Energie mit uns, deinen Lesern, zu teilen, sie uns anzubieten. So funktioniert das Ayni. Die Kinder in ihrer unverfälschten Natürlichkeit haben dir etwas angeboten, du hast es angenommen und damit bei dir etwas in Fluss gebracht und du bist bereit, es weiter zu reichen, indem du es in deinen Berichten anbietest. Es ist das einzige was ist, es ist das, wovon alle Religionen reden und du weißt es anzunehmen, wirken zu lassen und weiterzureichen. Es ist das einzige, das, wenn man es teilt, sich verdoppelt. Danke.
Danke für deine Offenheit. Und noch einmal danke, dass du bereit bist, nicht im Schmerz des Abschieds zu verharren, sondern im neuen Projekt Mantay neue und auf eine andere Art ebenfalls sehr intensive Erfahrungen zu sammeln, weitere Erfahrungen mit dem einzigen was ist. Gracias por existir. 


Cusco, 09. Februar 2020
Geschreiben von Lara Leibold

Ich freue mich auf die neue Volontärsstelle bei Casa Mantay -
Meine letzte Woche bei Aldea Yanapay wird bestimmt sehr emotional

Meine zweitletzte Woche in der Aldea Yanapay erlebte ich noch einmal besonders intensiv. Auf der einen Seite aufgrund der Momente in der Schule und den Themen, die bearbeitet wurden, auf der anderen Seite aufgrund verschiedener Erlebnisse und Zwischenfälle nachmittags.

Ich war, wie schon die Wochen davor, im Englischworkshop eingeteilt. Am Montag hatte ich gleich in der ersten Stunde zwei Fünfjährige im Klassenzimmer sitzen, was sich als echte Herausforderung herausstellte. Es war ziemlich schwierig, ihnen irgendetwas auf Englisch rüberzubringen und sie ahmten nur die Laute nach, ohne zu wissen wie das Wort wirklich aussah, da sie in dem Alter natürlich noch kaum schreiben konnten. Trotzdem war es total süß, wie sie -- meistens noch mit der ganzen Hand im Mund -- „my name is“ aussprachen und sie waren auch sehr neugierig und wollten alle möglichen Wörter auf Englisch wissen. In der zweiten Stunde war ich dann mit einer Gruppe zusammen, die fast jeden Tag den Workshop besuchen. Sie äußerten den Wunsch, am Freitag in der Show ein Lied vorsingen zu wollen und ich war begeistert von so viel Engagement und Motivation. Allerdings fügten sie dazu, dass dies kein Kinderlied sein solle und ich versprach, einen guten Mittelweg zu suchen. Denn wenn ich an meine zwei Fünfjährigen von der Stunde davor dachte, bezweifelte ich, dass diese ein Lied von „Twentyone Pilots“ singen können würden. Mit meinem Vorschlang „If you’re happy and you know it“ waren sie dann auch einverstanden. Bei diesem Lied wird in jeder Strophe ein anderer Gefühlszustand bearbeitet: Wenn du glücklich bist, klatsche in die Hände, wenn du sauer bist, stampfe mit den Füßen, wenn du ängstlich bist sag „Oh nein!“ und wenn du müde bist, mach ein Schläfchen. Mit den entsprechenden Bewegungen und Zeichnungen der Gefühle, konnte das Lied allen, ob jünger oder älter, klargemacht werden und auch die Älteren waren zufrieden, obwohl es eher ein Kinderlied ist.


Wanderung durch die wunderschöne Andenlandschaft. Foto: Lara Leibold

In den Familien wurde diese Woche mal wieder das Thema „Gewalt“ behandelt. Es ging darum, wie wir uns fühlen, wenn auf uns Gewalt ausgeübt wird, wenn wir selbst Gewalt ausüben und was eine gute Alternative für Gewalt in Konflikten ist. Als Oihane das Thema am Montagmittag verkündete, bekam ich schon etwas Angst. Die Kinder blockieren bei diesem Thema immer total und wollen nicht mitarbeiten und wenn sie dann anfangen zu erzählen, wünscht man sich, sie würden wieder aufhören, weil wir einfach nicht gewohnt sind und überhaupt keine Idee haben, was sie tagtäglich erleben. Ein Junge erzählte zum Beispiel, dass es zu den Angewohnheiten seines Vaters gehört, ihn, seine Geschwister und seine Mutter angezogen unter eiskaltes Wasser zu stellen, wenn sie nicht machen, was er will. Ein Mädchen berichtete, dass ihre Mutter ihr immer an den Ohrringen reißt und auch im „círculo de amor“ kam diese Woche vermehrt der Wunsch auf, der Vater würde aufhören, sich zu betrinken und dann die ganze Familie zu schlagen. Obwohl ich inzwischen viele dieser Geschichten gehört habe und weiß, was den Kindern geschieht wenn sie abends heimkommen, trifft es mich jedes Mal wieder, wenn sie davon erzählen und ich will ihnen unbedingt helfen, was aber unmöglich ist. Wir können ihr Leben nicht verändern. Das Einzige, was wir für sie tun können, ist sie in der Schule zu begleiten, ihnen zuzuhören wenn sie reden wollen, es zu respektieren wenn sie nicht reden wollen und ihnen eine schöne Zeit zu bereiten und mit ihnen zu spielen wenn sie diese Ablenkung brauchen. Die Umarmung, die sie einem danach geben, zeigt aber, dass sie einem dankbar für alles sind, was man für sie tut.


Woher der Name "goldene Lagune" kommt, konnte niemand so richtig
erklären. Foto: Lara Leibold

In der Familie war es relativ schwierig. Wie erwartet wollten sie nicht über dieses Thema reden, sie rannten durch den Raum, sprangen auf die Stühle und Tische und taten alles, was nur irgendwie ablenken konnte. Da wir aber wussten, wie schwierig es für sie ist, darüber zu reden waren wir sehr geduldig und konnten nach etwas Hilfe von Oihane doch zu den Kinder durchgelangen. Wir bereiteten ein Theater vor, in welchem ein Kind auf dem Schulhof von zwei anderen geschlagen und beleidigt wurde und sich daraufhin gewehrt hat. Danach fühlte es sich schlecht und sprach mit seinen Eltern darüber, die ihm erklärten, dass es seine Probleme nicht mit Gewalt lösen soll.
Am Freitag tauchte dann Yuri in der Schule auf, der vor der Show noch „fünf Minuten“ ein kleines Ritual durchführen wollte. Wie man ihn kennt, wurden aus den fünf Minuten allerdings eine Stunde und die Aufführungen der Familien mussten sehr schnell durchgeführt werden und für die Workshops, wie Kunst, Tanzen und Englisch, die ihre Ergebnisse der Woche vorstellen wollten, war gar keine Zeit mehr. Außerdem wurden zwei Peruanerinnen verabschiedet, die sechs Monate lang hier waren und mich somit meine ganze Zeit über begleitet haben. Sie waren für mich eine große Hilfe und auch Ansprechpartner, wenn ich ein Problem hatte. Daher war es sowohl für sie, als auch für mich ein relativ schwerer Abschied, der mich daran erinnerte, dass ich in nur einer Woche nun auch schon dran war und dort vorne stehen würde, um den Dankesworten den Kindern zuzuhören und zu versuchen währenddessen nicht von den Tränen überwältigt zu werden.
Am Dienstag fuhr ich mit einer anderen Deutschen nach San Jerónimo, wo mein nächstes Projekt, Casa Mantay, ist, um eine Wohnung zu besichtigen, die mir Ivan, ein Freund von Alexis, vermieten würden. Wie schon bei meinem ersten Besuch gefiel sie mir sehr gut und nun war sie auch eingerichtet. Ivan hatte sich echt Mühe gegeben und ich freue mich schon sehr darauf, nächste Woche dort einzuziehen. Bei dieser Gelegenheit schaute ich auch noch bei dem zwei Minuten von der Wohnung entfernten Casa Mantay vorbei, eigentlich nur um nachzufragen um welche Uhrzeit ich meinen ersten Tag dort beginnen würde. Wir wurden dort von einer der Erzieherinnen herzlich empfangen. Sie zeigte und erklärte uns sofort das ganze Projekt, von welchem ich ebenfalls überwältigt war. Es ist mit so viel Liebe gestaltet und es beeindruckt mich zutiefst was dort alles erreicht wird. Die jungen Mütter lernen, selbstständig zu leben, zu kochen, zu nähen, andere Handarbeiten herzustellen und sogar Blumensträuße und -kränze zu binden, damit sie später mit ihrem Kind über die Runden kommen. Natürlich besuchten wir auch die ganz Kleinen in ihrer Betreuung und uns ging das Herz auf, als wir sie glücklich, spielend und neugierig vorfanden. Nach diesem Besuch freute ich mich wieder umso mehr auf meine Zeit dort und auch meine Freundin meinte, sie will mich in Zukunft dort oft besuchen, weil es ihr so gut gefallen hat. Darüber hinaus wurde ich von der Koordinatorin zur „reunión“ der Volontäre eingeladen, die auch dort jeden Freitagmittag stattfindet.


Bereits bei ihrem ersten Besuch, den Lara Leibold in der
Zeit der Peru-Reise ihrer Eltern im Januar 2020 bei Casa
Mantay abstattete (Foto), konnte sie sich einen Eindruck
machen von ihrer Arbeit, die sie ab 17. Februar 2020
in dem Heim für minderjährige Mütter und deren Kinder
verrichten wird.Foto: Gino Joshimar

Am nächsten Abend wurde meine Begeisterung etwas gedämpft, als ich eine Email von Latam erhielt. Ich dachte schon „bitte nicht schon wieder“, bevor ich die Nachricht entgegennahm, dass mein Flug mal wieder gecancelt wurde. Dies passierte mir nun schon zum vierten Mal und so langsam bin ich echt genervt und habe keine Lust mehr, mich andauernd darum zu kümmern. Den Donnerstagnachmittag verbrachte ich dann am Telefon und versuchte einen anderen Flug zu bekommen, jedoch noch ohne Erfolg. Der Ersatzflug, der mir zugeteilt wurde, hat vier Umstiege und bei einem davon habe ich nur eine Stunde Zeit. Da dies vor dem Langstreckenflug von Sao Paolo in Brasilien nach Frankfurt wäre, will ich das Risiko nicht eingehen und versuchen, einen anderen Flug zu bekommen. Ich werde wohl auch die nächste Woche noch einige Nachmittage am Telefon verbringen müssen.
A
m Freitagmittag hatten wir wieder eine besonders schöne „reunión“. Wie schon morgens in der Schule nahm sich auch hier Yuri wieder „fünf Minuten“, um uns die Philosophie von Aldea Yanapay zu erklären. Während ich inzwischen alles in- und auswendig kann, haben die anderen Volontäre weder davon, noch von dem andinen Glauben noch nie etwas gehört. Ich finde es allerdings immer interessant und sehr inspirierend, Yuri zuzuhören, sodass ich die Stunde sehr genoss. Danach war dann einer der Volontäre an der Reihe. Der Grundschullehrer aus Spanien hatte für uns eine Lektion über Geschichten vorbereitet, da diese sehr gut geeignet sind, die Kinder ruhig zu bekommen, Lücken zu füllen und sie zum Nachdenken anzuregen. Dabei erzählte er uns viele Geschichten und ich fühlte mich sofort wieder in meine Kindheit zurückversetzt und fieberte mit den Fröschen „Tin“ und „Tan“ mit, die in ein Loch gefallen waren, trauerte mit dem blauen Quadrat, das nicht durch die runde Tür passte und schaute Alfredo zu, wie er die Zutaten dafür sucht, damit die magischen Sterne wieder bunt leuchteten. Am Ende der Versammlung war ich so glücklich und dankbar, dass ich mal wieder Kind sein, einfach nur zuhören und meiner Fantasie freien Lauf lassen durfte, während ich eine Geschichte erzählt bekomme. Ich denke, dass es für mich vielleicht etwas schwierig wird, auf Spanisch so toll Geschichten zu erzählen, wie der Volontär Oscar, aber ich werde es auf jeden Fall in meiner letzten Woche einmal ausprobieren und hoffe, dass es den Kindern genauso gut gefällt wie mir.
Am Samstag machten wir uns dann früh morgens auf zu einer der letzte Touren, die mir noch fehlen und die ich unbedingt machen wollte: eine Tour zu den „Sieben Lagunen“. Mit dem Bus fuhren wir zirka vier Stunden, bis wir in einem kleinen Andendorf ankamen, wo wir ein Frühstück bekamen. Danach folgte eine zweistündige Wanderung, bevor wir bei der ersten Lagune ankamen. Am Fuße eines Berges erstreckte sie sich in einem hellen Blau. Wir waren schon alle sehr beeindruckt von diesem Ausblick, als der Tourguide meinte, dass dies die langweilste Lagune sei und die anderen nach und nach immer spektakulärer werden würden. Und er hatte Recht. Die zweite Lagune übertraf die erste schon, da sie mehr in einem Tal lag und durch einen kleinen Wasserfall gespeist wurde. Bei der vierten blieb uns allerdings allen der Atem weg. Noch nie hatten wir so klares Wasser gesehen. Obwohl diese Lagune die kleinste war, war sie mit Abstand die schönste. Außerdem war darin ein Puma aus schwarzen Schatten zu erkennen, was sie irgendwie geheimnisvoll wirken ließ.


Die "Lagune des Pumas" - so klares Wasser hatte noch keiner der
Volontäre gesehen. Foto: Lara Leibold

Es gibt wohl eine Legende, die besagt, dass dieser Puma nachts aus dem Wasser herauskommt. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber in der andinen Mythologie ist der Puma der Patron für das Hier und Jetzt, für die Gegenwart „Kay Pacha“, während der Kondor der himmlischen Welt „Hanan Pacha“ und die Schlange der der Unterwelt „Ukhu Pacha“ als Patron zugeordnet ist. Diese drei Gestalten kann man in allen möglichen Gemälden und Darstellungen sehen und auch in den alten Inkamauern sind ihre Umrisse zu erkennen. Sogar Cusco hatte früher aus der Luft betrachtet die Form eines Pumas. Die nächsten zwei Lagunen waren dann ein Paar, eine feminine und eine maskuline. Die weibliche Lagune ist sehr fruchtbar und auf ihrem Untergrund wachsen Pflanzen und Blumen, während sie Wasser von der Männlichen bekommt. Sie symbolisieren also das Zusammenspiel der femininen und maskulinen Energie, was im andinen Glauben ebenfalls eine große Rolle spielt und auch bei uns in der Schule viel behandelt wird. Die letzte Lagune hatte mehrere Farben und theoretisch ragt im Hintergrund der höchste Berg der Region, der mächtige Ausangate empor, allerdings war dieser aufgrund der vielen Wolken leider nicht zu sehen.


Die letzte und farbenprächtigste Lagune der Tour mit dem Fuß des
Ausangates im Hintergrund. Foto: Lara Leibold
des Pumas" - so klares Wasser hatte noch keiner der
Volontäre gesehen. Foto: Lara Leibold

Nachdem wir alle sieben Lagunen ausgiebig besichtigt und viele Fotos geschossen hatten, ging es dann wieder zurück zu dem Dorf, wo wir ein Mittagessen bekamen, bevor wir uns auf den Rückweg nach Cusco machten. Während der Wanderung konnten wir außerdem die Flora und Fauna der peruanischen Anden entdecken: Beispielsweise sahen wir viele Kakteen, Alpakas und das Chinchilla, das aussieht wie eine Mischung aus Hase und Maus. Nach diesem Ausflug waren wir durch den langen Fußweg in einer Höhe von 4600 Metern alle todmüde aber uns einig, dass es sich definitiv gelohnt hatte, weil die ganze Landschaft so unglaublich schön und die Lagunen sehr beeindruckend waren. Also an meine Nachfolger und wer sonst noch so vor hat nach Cusco zu reisen: Diesen Ausflug empfehle ich auf jeden Fall allen. Außerdem war außer den 13 Leuten aus unser Gruppe weit und breit außer einigen indigenen Nachkommen niemand zu sehen, die Route ist also noch überhaupt nicht touristisch.


Zum Anfassen nah: Auf unserer Wanderung begegneten wir vielen
Alpakas. Foto: Lara Leibold

Den Sonntagnachmittag verbrachten wir dann noch mit einer Freundin, die schon seit über einer Woche krank war, im Krankenhaus und ich war froh, dass mir dies (bisher) erspart geblieben ist und hoffe, dass es auch weiterhin so bleibt. Am Montag trete ich nun meine letzte Woche in der Aldea Yanapay an, die bestimmt sehr emotional wird. Es ist unglaublich wie schnell die Zeit vergeht. Jetzt bin ich schon vier Monate hier. Einen Monat werde ich im Casa Mantay verbringen, danach werde ich ein bisschen mehr als einen Monat durch Bolivien reisen und dann geht es auch schon wieder zurück nach Deutschland. Die Zeit vergeht bestimmt weiterhin rasend schnell. Einerseits bin ich traurig, dass ich jetzt viele Menschen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, vielleicht für immer, verlassen muss, andererseits freue ich mich auch schon jetzt, im April endlich wieder meine Familie, Verwandten, Freunde und natürlich vor allem, meinen Freund wiederzusehen.
Anmerkung von Klaus Flad: 
Liebe Lara,
wenn etwas (Altes) zu Ende geht, kann etwas Neues entstehen. Auch das gehört zur andinen Kultur. Ich danke dir für deine liebevolle Arbeit bei Aldea Yanapay und ich danke dir noch mehr für deinen Mut, dich mit Casa Mantay auf etwas Neues einzulassen. Danke für dein großes Interesse an der andinen Welt und Kultur, die dich offenbar schon geprägt hat. Für deine Arbeit bei Casa Mantay wünsche ich dir alles Gute und viele neue Begegnungen und Erfahrungen. Que te vaya bien en tu nuevo proyecto.


Cusco, 05. Februar 2020
Geschreiben von Lara Leibold
Der Englisch-Workshop macht den Kindern und mir Spaß

Diese Woche übernahm ich wieder den Englischworkshop. Die neue Koordinatorin ist gleichzeitig auch Englischlehrerin und half mir, eine Struktur für den Workshop zu entwickeln und gab mir viele Materialien. Dadurch war der Workshop viel besser organisiert und machte sowohl den Kinder, als auch mir viel mehr Spaß. Meistens kamen jeden Tag die Gleichen und sagten mir, dass sie sich schon auf morgen freuten. Sie waren sehr stolz auf das Gelernte, zeigten ihr Können in der ganzen Schule und fragten mich auch außerhalb des Workshops, wie man sämtliche Sätze auf Englisch sagt. Dies freute mich sehr. Ich merkte auch, dass immer mehr bei ihnen hängen blieb, da wir jeden Tag immer wieder dasselbe wiederholten und immer mehr Kinder können sich nun schon ohne meine Hilfe vorstellen und über ihre Laune und das Wetter reden. Viele von ihnen wissen, dass ihnen Englischkenntnisse im Leben viel bringen können und sind sehr motiviert, mehr zu lernen.


Antonio und Ivana grübeln über ihren Englischaufgabgen.
Foto: Lara Leibold


Auch Spielen und Malen gehört dazu: Belinda, Piero und
Melanie (von links) beim Lernen der englischen Begriffe
für die Farben: Foto: Lara Leibold.

Das Thema der Woche waren die Familien in der Aldea Yanapay. Was kann jeder zu seiner Familie beitragen, welche Qualitäten hat jeder Einzelne und was gibt einem die Familie. Mit diesem Thema stießen wir auf ziemliche Schwierigkeiten. Ein Junge aus der Famiilie weigerte sich irgendetwas zu machen, weil er eine Profe vermisste, die sich letzte Woche verabschiedet hatte. Seine Mutter hatte uns schon am Montag erzählt, dass er das ganze Wochenende über geweint hatte und auch in der Schule wollte er für sich alleine im Eck sitzen und vor sich hin trauern. Die anderen Kinder wollten dann aber natürlich auch nicht mitarbeiten, sondern wie er, machen was sie wollen. Deshalb mussten wir bei ihm wohl oder übel Maßnahmen ergreifen, damit er mitarbeitet. Er fühlte sich dadurch schlecht behandelt und nicht respektiert. Das war echt eine total schwierige Situation. Außerdem war die Familie diese Woche irgendwie total unruhig, alle rannten rum, schrien und ließen sich einfach nicht beruhigen. Dadurch mussten wir dann öfters mal die Stimme erheben, um wenigstens etwas durchgreifen zu können. An einem Tag sagten uns dann plötzlich zwei Jungs, dass die Familie „Wayra“ ihnen gar nichts gibt. Der Eine, weil er sich in seiner Trauer um die Profe nicht respektiert fühlte und der Andere, weil er sich allgemein von den anderen Kindern und auch von den Profes schlecht behandelt fühlte. Diese Aussagen trafen mich sehr hart, weil ich die Kinder immer liebevoll behandele und ihnen alles gebe, was ich kann. Ich kam noch nie auf die Idee, dass wir sie schlecht behandeln könnten. Danach redete ich mit Oihane darüber und sie beruhigte mich, meinte, dass sie sieht, dass ich alle Kinder sehr liebevoll behandele und dass die Kinder uns wahrscheinlich nur manipulieren wollen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Schon am nächsten Tag behandelte mich der eine Junge schon wieder wie immer, umarmte mich und erzählte mir alles Mögliche. Dies beruhigte mich dann wieder etwas. Aber irgendwie mach ich mir trotzdem viele Gedanken, was mit der Familie los ist, denn während sie sonst immer ganz ruhig waren und toll mitgearbeitet haben, sind sie seit dieser Woche total laut, aufgedreht und es gibt die ganze Zeit Streitereien. Dieses Verhalten muss ja irgendeinen Hintergrund haben, aber wir kommen einfach nicht darauf, welcher das sein könnte.


Was gibt mir meine Familie und was gebe ich ihr im
Gegenzug? Die Familie Wayra bei ihrer Show.
Foto: Carolina Lohmann

Nach dieser anstrengenden Woche machten wir uns dann am Freitag mit dem Bus auf eine sechsstündige Fahrt nach Puno, einer Stadt am Titicacasee. Wir hatten für eine Nacht eine Unterkunft auf einer der „Uros-Inseln“ gebucht. Diese Inseln bestehen nur aus Schilf und schwimmen so auf dem Titicacasee. Unser Gastvater holte uns mit dem Boot ab, um uns auf seine Insel zu bringen. Dort angekommen, kuschelten wir uns erst einmal in unsere Betten, weil wir zum Einen im Bus nicht viel geschlafen haben und es noch sehr früh war und zum Anderen weil es unglaublich kalt war und wir versuchten, uns irgendwie aufzuwärmen. Das Zimmer war wunderschön eingerichtet und wir hatten ein Panoramafenster mit Blick auf den See. Es war nur ein etwas komisches Gefühl, da die Insel auf dem Wasser hin- und herschaukelte und man dies ziemlich gut spürte.


Blick von der Insel Taquile über den Titicacasee. Foto: Lara Leibold.

Um neun Uhr machten wir uns dann auf zu einer Tour zu der Insel Talquile. Die Bootsfahrt dorthin war schon sehr beeindruckend, da der See so groß ist, dass er aussieht wie ein Meer. Der Tourguide erzählte uns auch, dass es aufgrund seiner Größe Wellen von bis zu drei Metern Höhe geben kann.


Lara, Scarlett, Carolina und Dina (von links) genießen den Ausblick
über den Titicacasee. Foto: Tourguide

An der Insel angekommen, stiegen wir erst bis zu ihrem höchsten Punkt hinauf, um einen unglaublichen Ausblick über den See zu genießen. Bis dahin war noch alles gut und der Ausflug gefiel uns echt gut, doch dann wurden wir von einer „indigenen Familie“ zum Essen empfangen. Der Guide erklärte uns etwas über ihre Handarbeiten und sie tanzten und sangen uns etwas vor. Diese ganze Show war allerdings offensichtlich total unecht und nur für Touristen inszeniert und die Leute sahen nicht aus, als hätten sie viel Spaß dabei. Vielleicht beurteile ich die ganze Situation auch falsch und diese Leute freuen sich, ihre Traditionen mit den Touristen teilen zu können, allerdings sieht echte Tradition für mich anders aus. Je länger ich hier bin, desto mehr Situationen sehe ich, in denen die Reiseagenturen Natur, Menschen und Tiere ausbeuten, um so viel Profit wie möglich zu erzielen. Die Haupteinnahmequelle in Peru ist zwar der Tourismus, jedoch machen fast nur die Agenturen auf Kosten der ärmeren Menschen Gewinn. Dies macht mich wütend und ich suche immer wieder Wege, auch den Benachteiligten etwas zu geben, aber habe gleichzeitig auch ein schlechtes Gewissen, weil ich diesen Tourismus hier auch unterstütze. Dies ist ein sehr sensibles Thema und irgendwie ist es schwierig, richtig zu handeln, aber dieses Erlebnis auf dem Titicacasee hat mich ziemlich geschockt und mir noch mehr die Augen geöffnet.


Blick von der Insel Taquile über den Titicacasee. Fotos (2): Lara Leibold.

Nach diesem Ausflug machten wir mit unserem Gastvater noch eine Tour auf den Uros-Inseln und er erzählte uns viele interessante Sachen über diese Inselgruppe. Beispielsweise erklärte er uns, wie die Inseln gebaut werden und dass dies ungefähr ein Jahr lang dauert. Jeder, der will, kann einfach seine eigene Insel dazu bauen. Meistens leben mehrere Familien zusammen auf einer Insel, doch jede Familie kann entscheiden, mit ihrem Teil der Insel an einen anderen Platz ziehen. Von der Organisation der Inseln war ich sehr beeindruckt. Es gibt eine Schule für die Kinder, ein Gesundheitszentrum und sogar ein Fußballstadion.


Die "Islas Flotantes" (schwimmende Inseln) von Uros mit zwei
Booten im Vordergrund. Foto: Lara Leibold.

Samstags gehen die Bewohner in die Stadt, um für die ganze Woche einzukaufen und es gibt ein kleines Boot, das durch die Inseln fährt, um Lebensmittel zu verkaufen. Außerdem beobachteten wir eine Familie, die Enten aus dem See häuteten und grillten. Unser Gastvater meinte daraufhin, dass das ihr Hähnchen sei. Nach der Inseltour gingen wir früh ins Bett, um uns richtig auszuschlafen, und am nächsten Tag machten wir uns morgens schon wieder auf den Weg zurück nach Cusco. Zuerst hatten wir geplant, den Tag noch in Puno zu verbringen, allerdings waren wir nach der kalten Nacht alle etwas krank und immer noch müde. Außerdem fahren immer nur morgens um acht und abends um 22 Uhr Busse nach Cusco und wir wären in dem Fall am Montagmorgen um vier Uhr angekommen, sodass wir es für vernünftiger hielten, am Sonntagmorgen schon heimzufahren. Als wir dann am Nachmittag in Cusco ankamen, waren wir alle froh über diese Entscheidung. Ich bereitete noch den Englischworkshop für die nächste Woche vor und ruhte mich aus, um für meine letzten zwei Wochen im Projekt gestärkt zu sein. 


Die Farbspiele der dunklen Blautöne des Wassers und des Himmels mit
weißen und grauen Kontrastfarben der Wolken sind den ganzen Tag über
immer sehr beeindruckend. Diese Stimmung wird bei Sonnenaufgängen
(Foto) und bei Sonnenuntergängen noch verstärkt. Foto: Lara Leibold


 
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