Böttingen, 30. April 2012
Geschrieben von Klaus Flad
Besuch im Dorf Huilloc Rucja (abweichende Schreibweisen Rukja, Rukha) zur Verwirklichung des nächsten großen Vereinszieles: Sauberes Trinkwasser für die Menschen in Rucja
Am Montag, 5. März 2012 stand der Besuch der Gemeinde Huilloc Rucja an. Unser Freiwilliger Lukas hat für mich völlig unerwartet und sehr kurzfristig seine Begleitung nach Rucja abgesagt. Dies war aber nicht der einzige Grund, warum der Verein La Balanza die weitere Zusammenarbeit mit Lukas beenden musste. Jedenfalls machten wir (unser Fahrer, Nelly, Iván, Edwin, Heike und ich) uns früh morgens auf den Weg nach Huilloc Rukja. Die Fahrstrecke über Ollantaytambo nach Huilloc habe ich nun schon sehr oft zurück gelegt. In der Hauptgemeinde Huilloc besuchten wir zunächst die Schule. An diesem Montag war in Peru der erste Schultag nach den Sommerferien. Im europäischen Winterhalbjahr, wenn es in Deutschland bis zu minus 20 Grad Celsius kalt werden kann, können sich die Kinder in Südamerika über Sommerferien freuen. Als wir in der Schule von Huilloc ankamen trafen wir dort nur Lehrer aber keine Schulkinder an. Die Lehrer freuten sich sehr über unser Kommen, auch wenn sie überhaupt nicht mit unserem unagekündigten Besuch gerechnet hatten. An diesem Montag hatten sie eigentlich ihre Schulkinder erwartet, aber von denen war nicht ein einziges gekommen. Sowas kann man sich in Deutschland zwar nicht vorstellen, aber die Kinder aus den kleinen verzettelten Andengemeinden hatten doch tatsächlich alle miteinander vergessen, dass am 5. März die schöne Zeit der Schulferien wieder vorbei ist und sie zum Unterricht kommen sollten. Nelly nahm die Gelegenheit wahr, mich bei den Lehrern als "presidente de La Balanza" vorzustellen. Die Lehrer freuten sich sehr und alle erzählten mir, dass La Balanza die erste Hilfsorganisation war, die jemals an der Schule von Huilloc eine Chocolatada (Ausgabe von heißem Kakao und von Broten für die Schulkinder) gemacht hat. Durch die lobenden Worte der Lehrer fühlte ich mich sehr geehrt. Den Dank der Schule von Huilloc darf ich hiermit an alle Vereinsmitglieder, Spender und Freunde weitergeben.
Zu Besuch bei den Lehrern der Schule von Rucja
Nach dem Besuch der Schule von Huilloc fuhren wir im bequemen Minibus (ähnlich einem Sprinter) den uns Roxana (eine gute Freundin von Iván) über ihr Reisebüro zu einem sehr guten Sonderpreis organisiert hatte den schlechten Kiesweg von Huilloc ein kleines Stück zurück in Richtigung Ollantaytambo. In einer scharfen Rechtskurve hielt unser Fahrer an, denn hier führt ein Fußweg in die kleine Teilgemeinde von Huilloc mit dem Namen Rukja, welche nur zu Fuß erreicht werden kann. Bereits auf dem Hinreise nach Huilloc hatten wir hier zum ersten Mal angehalten und den auf uns wartenden zwei Männern von Rucja die Schulsachen und unsere Geschenke für die Kinder von Rucja mitgegeben. Sie halfen sich, wie in den Anden typisch, mit ihren Ponchos aus, welche sie auszogen und als Rucksäcke verwendeten.
Schulpakete für die Kinder von Rukja.
Für mich war dies der erste Besuch in Rukja, einem abgelegenen und nur zu Fuß zu erreichenden Andendorf aus welchem Tomas, der "portador" (Träger) stammt, den ich im vergangenen Jahr beim Inka-Trail kennen gelernt und dem ich Unterstützung für sein "pueblo" (dies ist der spanische Ausdruck für Dorf und auch für Volk) versprochen hatte. Leztes Jahr beim Inka-Trail war mir Tomas wegen seines für alle Teilgemeinden von Huilloc typischen Ponchos aufgefallen. Ich sprach ihn an und fragte ihn, wie unser Verein in seinem Dorf Unterstützung leisten könnte. Eine saubere Wasserversorgung für das Dorf hatte mir Tomas als der größte Wunsch der Einwohner seines Dorfes genannt. Zu den Häusern von Rucja führt keine Wasserversorgung. Einst war versucht worden, die Wasserversorgung zu verwirklichen. Ein nie fertig gestellter Wasserhochbehälter befindet sich oberhalb des kleinen Dorfes. Eine Leitung wurde nie gelegt. Die Einwohner verfügen also nicht über sauberes Trinkwasser. Das Wasser muss momentan "von Hand" zu den Häusern gebracht werden und ist nicht selten mit Keimen kontaminiert. An diesem Montag war es also so weit: Ich hatte erstmals Gelegenheit mir selber ein Bild von der Gemeinde Rukja zu machen um zu sehen, wie das Projekt Wasserversorgung für das Dorf verwirklicht werden kann. Vergangenes Jahr hatten unsere peruanischen Helfer (Nelly und Iván) sowie unsere Freiwilligen Christian und Lukas das Dorf besucht, um sich ein Bild von den anstehenden Arbeiten für die Wasserversorgung zu machen. An der Stelle, an der uns der Fahrer aussteigen ließ, gelangt man über einen schmalen Fußweg nach einem etwa 40-minütigen Fußweg nach Rukja. Mit dem Auto ist Rukja nicht zu erreichen.
"Täglich Brot" für die Menschen von Rucja: Nur zu Fuß ist das Dorf
erreichbar.
Auf Schusters Rappen nach Rucja: Heike und Edwin
Auf dem Weg nach Rukja
Auf dem Weg nach Rukja
Auf dem Weg nach Rukja
Kurz vor den ersten Häusern warteten schon die ersten Kinder, darunter auch José, mit dem ich mich gleich anfreundete, auf uns. Hier konnten wir endlich den herrlichen Blick hinunter ins Tal bis nach Ollantaytambo so richtig genießen. Schon bei der Wanderung zum Dorf waren wir von der Schönheit der Natur und der Landschaft überwältigt.
Blick hinunter in Richtung Ollantaytambo
Das Dorf Rucja
Ziel erreicht: Das Dorf Rucja (im Hintergrund)
Die Einwohner warteten schon auf uns.
Im Dorf stellte mich Nelly zunächst Feliciano vor. Er wurde von den Einwohnern von Rucja zum Präsidenten und Ansprechpartner für unsere Organisation gewählt. Feliciano hieß uns willkommen. Er und seine Ehefrau sowie die Geimeindemitglieder hatten zur Begrüßung ein Essen vorbereitet. Noch nie zuvor hatte ich so gute Forelle mit Kartoffeln gegessen.
Nach dem Essen wurde es eng im kleinen Wohnhaus von Feliciano. Dicht gedrängt standen die Menschen von Rucja vor dem Laptop von Iván, mit welchem wir den Dokumentationsfilm über die Arbeit von La Balanza vorführten. Erwachsene und Eltern freuten sich sehr über den Film und natürlich über unsere Bereitschaft, auch im Dorf Rucja tätig zu werden. Im Anschluss an die Filmvorführung folgte der offizielle Teil, die Begrüßungsreden von Feliciano, von Nelly und von mir. Die Dankbarkeit für unser Interesse an ihrem Dorf und "el cariño" der Menschen von Rukja konnte man förmlich spüren. Das ist es auch, was mich persönlich immer wieder motiviert, den Menschen in den kleinen Dörfern Perus Unterstützung zu geben, wo man nur kann: Diese tiefe Dankbarkeit, die herzliche Gastfreundschaft, die gegenseitige Achtung und Wertschätzung, welche sich in jedem Wort, in jedem Blick und in jeder Geste der andinen Bevölkerung spiegelt, habe ich in den reichen Ländern Europas noch nie erlebt. Daher kenne ich auch kein deutsches Wort, um dieses Gefühl zu beschreiben. Nelly hat mir einmal gesagt, dass in der spanischen Sprache das Wort "cariño" noch viel mehr bedeutet als Liebe ("amor"). Für "cariño" gibt es meiner Meinung nach keine deutsche Übersetzung, aber wenn ich erlebe, wie sehr sich die Menschen in den Andendörfern über unsere Hilfe und über unser Interesse an ihrem Leben in ihren Dörfern freuen, dann weiß ich was Nelly mit "cariño" meint.
Nach den offiziellen Begrüßungsreden gaben wir die von uns in Cusco organisierten Schulpakete, süßen Brote und Geschenke für die Kinder aus. Leider waren die Gemeindevertreter von Ollantaytambo nicht, wie ursprünglich geplant, dabei, um mit uns über die Möglichkeiten der Wasserversorgung zu beraten. Über die Details zur Wasserversorgung werde ich daher in einem der nächsten Homepage-Einträge berichten. Zum Ende waren nicht nur die Kinder von Rucja, sondern auch ihre Eltern und auch wir von La Balanza sehr zufrieden. Das Gefühl, in dieser kleinen abgelegenen Andengemeinde eine wichtige Unterstützung leisten zu dürfen, machte uns alle glücklich.
Während unseres Aufenthalts in Rukja war unsere Fahrer mit dem Minibus auf dem schlechten Fußweg weiter hinunter ins Tal gefahren, denn an der Stelle, an der er uns zuvor aussteigen ließ, gab es keine Möglichkeit das Auto abzustellen ohne den Fahrweg ins Tal zu versperren. So mussten wir auf einem anderen Weg zurück zum Fahrzeug gehen. Weil wir den Weg nicht richtig kannten und Iván und Nelly sich schon kurze Zeit vor uns auf den Weg zum Auto machten, belgleitete uns mein neuer Freund José auf dem Fußweg zum Auto, welches uns zurück nach Cusco brachte. Wieder einmal kehrten wir zurück mit dem guten Gefühl, mit unserer Arbeit genau das Richtige für die Bewohner eines kleinen Andendorfes zu machen. Auch wenn die weitere Planung der Details zum Projekt Wasserversorgung für das Dorf Rucja an dem Tag mangels Gemeindevertreter von Ollantaytambo noch nicht stattfinden konnte, so kehrten wir doch mit dem guten Gefühl zurück, den Menschen von Rucja schon bald bei der Erfüllung ihres größten Wunsches unterstützen zu können.