La Balanza e.V. Böttingen
  Februar 2012
 
Cusco, 11. Februar 2012
Geschrieben von Lukas Wolf
Ferienkurse zu Ende
Gestern war der letzte Tag der Ferienkurse im colegio Fatima, in dem ich jetzt schon seit 6 Monaten arbeite. Die letzten beiden Tage hat aber kein Unterricht mehr stattgefunden, was mir leider niemand gesagt hat. Ich habe wie gewohnt meinen Unterrichtsplan gemacht und bin am Donnerstag in die Schule gekommen, doch die Schüler der fünften Klasse sind einfach gegangen. Sie meinten nur, dass an den letzten beiden Tagen kein Unterricht stattfinden würde. Genau das sagten mir (erst jetzt) auch die Lehrer.
Während der Sommerferien Englischunterricht zu geben, war eine sehr interessante Erfahrung. Zum einen waren die Klassen extrem groß, weshalb ich mich in Zukunft nie wieder beschweren werde, wenn ich ein Klasse mit 40 Schülern unterrichten muss.
Außerdem war es sehr interessant, mal  Schüler von anderen Schülern zu unterrichten. Manche von ihnen konnten sehr gut Englisch. Ein gutes Beispiel war die sechste Klasse. Diese Gruppe war extrem heterogen. Während einige Schüler ständig aufmerksam waren und selbst mit Begriffen wie „gerund“ und „present progressive“ was anzufangen wussten, hatte ich das Gefühl, bei anderen gegen eine Wand zu reden. Als ich mit den Sechstklässlern die Klausur schrieb, saß ein Schüler total verzweifelt vor seinem Aufgabenblatt und bat mich um Hilfe: „Ich kann kein Englisch, können Sie mir bitte helfen!“ Dieser Schüler hat in seiner Schule nie Englischunterricht gehabt.
Bis zum 1. März werde ich nicht unterrichten, denn erst dann fängt der reguläre Unterricht wieder an. Bis dahin werde ich vermutlich wieder öfter zu Colibrí gehen und eventuell für vier Tage nach Lima reisen, denn dort findet ein von der Konrad Adenauer Stiftung geleiteter Kongress für alle in Perú arbeitenden Volontäre statt.


Cusco, 5. Februar 2012
Geschrieben von Lukas Wolf
Der Schulalltag im Colegio ist nicht immer einfach
„Am 10. Februar ist der letzte Tag der Ferienkurse“, versicherte mir die Subdirektorin anfangs noch. Da ich jedem Schüler eine Englischnote geben muss, fing ich diese Woche mit der Klausurvorbereitung für die kommende Woche an. In der ersten und zweiten Klasse würde ich mündliche Noten machen und die Hefte einsammeln, der Unterricht in der dritten Klasse fiel aufgrund des Lehrerausflugs leider aus.
Es war bereits Mittwoch und die vierte Klasse stand auf meinem Stundenplan. Am Vortag noch eine Probeklausur vorbereitet und eine Zusammenfassung des Gelernten erstellt, konnte ich guten Gewissens in den Unterricht starten. In der Pause unterhielt ich mich mit Profesor Marvin, der die vierte Klasse während der Ferien unterrichtet. Sein Kommentar: „Nächsten Mittwoch haben wir es ja endlich überstanden!“ ließ es mir eiskalt den Rücken herunterlaufen. Sollte kommenden Mittwoch tatsächlich schon der letzte Unterrichtstag sein, hätte ich ein Problem bezüglich der Klausuren für die Fünft- und Sechstklässler. Ich wurde zum Umdenken gezwungen und bereite kurzerhand eine leichte Klausur für die fünfte Klasse am Folgetag vor. Nach einer kurzen Wiederholung des relevanten Lernstoffs, teilte ich die Klausuren aus und hoffte um jeden Preis, dass die Ergebnisse halbwegs gut ausfallen würden. Immerhin würden schlechte Resultate in der Klausur auf mich zurückfallen.
Genau das gleiche Spiel auch am Freitag in der sechsten Klasse. Doch kaum hatte ich mit dem Unterricht begonnen, hieß es unerwartet, alle Schüler sollen sich in der Aula versammeln. Dort war wohl eine Art Puppentheater für die Grundschüler vorbereitet. Im Vorbeigehen meinte ich zu Profesora Alicia: „[…] da weiß ich gar nicht, wie ich die Klausur schreiben soll“, woraufhin sie kurz entschlossen schrie: „Alle Schüler der Klasse sechs zurück ins Klassenzimmer!“. Im Nachhinein tat es mir richtig leid, dass die Schüler das Theater nicht angucken durften und anstelle dessen eine Klausur schreiben mussten. Auch bei den Schülern stoß die Anweisung nicht auf großen Anklang, was sie mich eiskalt spüren ließen. Zwar kamen sie alle zurück ins Klassenzimmer, doch es gelang mir beim besten Willen nicht, den Lautstärkepegel der Klasse herunterzuschrauben. Sämtliche Schüler regten sich lautstark darüber auf, dass sie viel lieber mit den anderen unten sein wollen, als eine Englischarbeit zu schreiben.
Als halbwegs Ruhe in dem Klassenzimmer einkehrte, konnte ich mit einer kurzen Wiederholung für die Klausur beginnen. Ich bat die Schüler, sich Notizen zu machen und von der Tafel abzuschreiben. Nur die wenigstens hatten ein Heft dabei und fingen an, abzuschreiben, was mich ganz und gar nicht überraschte. Für was wiederhole ich mit den Schülern alles, wenn keiner mitarbeitet? Wenn sie keine Wiederholung wollen, schreiben wir die Klausur eben jetzt. Nachdem ich ihnen das ungefähr so angedroht hatte, war die Reaktion seitens der Schüler sehr unerwartet. Während nur einige wenige ihre Mitschüler dazu  aufforderten, leise zu sein schrie der Rest der Klasse, dass er die Klausur jetzt schreiben wolle. Ohne zu Zögern teilte ich aus, bat um Ruhe und dass sämtliche Englischhefte von den Tischen verschwinden. Als alle Schüler die Arbeit vor sich liegen hatten, eskalierte die Situation. Sie gaben sich noch nicht mal Mühe, dass ich ihre dreisten Versuche, abschreiben oder aus dem Heft zu kopieren, nicht merke. Im Gegenteil, einige standen auf, gingen zu ihren Freunden, um Ergebnisse zu vergleichen. Andere hatten die Hefte auf den Tischen liegen und schrieben gnadenlos ab. Für eine Hand voll der 40 Schüler war die Klausur deshalb schon nach wenigen Sekunden beendet. Ich nahm ihnen die Klausur weg und schickte sie nach draußen.
Als um kurz vor 12 die letzten Schüler abgegeben hatten, machte ich mich frustriert über den misslungenen Unterricht auf den Nachhauseweg und fing an, die Klausuren zu korrigieren. Ziemlich schnell war klar, die Klasse muss die Klausur nochmal schreiben. Sobald mehr als 50% C haben, gibt es eine zweite Chance. Wie man in der Auswertung unten deutlich erkennen kann: 60% haben mit C abgeschnitten.
Besonders gut fiel das Ergebnis der fünften Klasse aus. Von 50 Schülern hatten nur zwei die Note C, 33 Schüler (66%!!) schlossen mit A und AD (1+) ab.


Ergebnisse der Englischklausuren der Klasse 6. Die Mehrheit hat mit C abgeschnitten. 

Cusco, 1. Februar 2012
Geschrieben von Lukas Wolf
Geplanter Ausflug der Lehrer wird zur Geburtstagsfeier
Am vergangenen Dienstag, den 31. Januar, stand kein Unterricht, sondern ein Ausflug der Grundschullehrer auf dem Stundenplan. Profesor Marvin, er unterrichtet die sechste Klasse, erzählte mir, dass wir eine kostenlose Busfahrt durch Cusco bekommen würden und kostenlosen Eintritt in die Museen Cuscos erhielten. Da ich seit meiner Zeit in Cusco noch nicht ein einziges Museum von innen gesehen habe, war das Angebot mitzukommen, eine sehr positive Überraschung.
Um halb neun wollten wir uns in einem Bürogebäude an der Plaza Tupac Amaru treffen. Mit einem schlechten Gewissen, weil ich das Haus erst um kurz nach halb neun verließ, machte ich mich auf den Weg. Das große Bürogebäude hatte ich sehr schnell gefunden. Am Eingang stand ein älterer Mann, der sagte, das Treffen fände im vierten Stock in einer Art Aula statt. Vor der Aula hingen Listen aus, auf die man sich eintragen musste, um an einem „Kurs“ teilzunehmen. Der Kurs wurde offensichtlich für alle Lehrer in Cusco kostenlos angeboten, denn es waren bereits Lehrer der verschiedensten Schulen vertreten. Obwohl ich mit einer ordentlichen Verspätung von fast 20 Minuten eingetroffen bin, war noch nicht ein einziger Lehrer von meiner Schule da. Schließlich entschied ich mich dazu, draußen zu warten. Meine Entscheidung, ob ich an dem „Kurs“, von dem am Vortag noch keine Rede war, teilnehmen würde, hing davon ab, ob sich noch einer meiner Kollegen blicken ließ oder nicht. Später, um viertel nach neun, tauchten sie dann langsam auf, die anderen Lehrer und begrüßten mich freundlich. Außerdem sagten sie, es sei verpflichtend an einem Kurs über die Klimaerwärmung und Kontamination teilzunehmen. Noch schnell auf die Liste eingetragen, nahmen wir alle, mehr oder weniger gespannt, in der eiskalten Aula Platz, in der es geschätzte zehn Grad hatte.
Nach einigen Minuten, fast alle Plätze waren besetzt, konnte der „Moderator“ seine PowerPoint Präsentation endlich starten. Ungefähr eine Minute später, nachdem er bereits mit seinem Vortrag begonnen hatte, kamen Mitarbeiter des Büros nach vorne, um den Beamer scharf zu stellen, was ihnen nach einigen Versuchen auch gelang. Mit der Hartnäckigkeit des Mikrofones haben sie jedoch nicht gerechnet, weshalb der Moderator während des gesamten Vortrages mit einem störenden Summen und lästigem Rauschen zu kämpfen hatte. 
Außer einer Frau, die eine Reihe hinter mir saß und während des gesamten Vortrages schlief, machten sich die meisten Anwesenden Notizen und hörten aufmerksam zu. Nicht jedoch meine Kollegen. Andauernd hallte ein Handyklingeln durch die Menge oder es wurde lautstark gelacht. Würde man in Deutschland das Handy ausschalten oder den Anruf nicht entgegen nehmen, nimmt man das Gespräch hier bedenkenlos an und versucht lediglich, ein bisschen leiser zu sprechen. Nachdem die Klassenlehrerin der fünften Klasse sich schon zwei Mal zu mir umgedreht hatte und meinte: „Laaaaangweilig!“, verloren auch die anderen Lehrer meiner Schule die Geduld und konnten dem trockenen Vortrag nur noch schwer folgen. Profesora Eufemia machte ein Nickerchen und Profesor Marvin spielte lieber mit seinem Sohn, den er zum Ausflug mitgebracht hatte. Entnervt von dem offenbar langweiligen Thema und der wirklich schlechten PowerPoint Präsentation, bei der man durch die ungünstig gewählte Schriftfarbe einen Großteil nicht lesen konnte, begab sie sich auf die Suche nach einem Mitarbeiter, der ihr sagen konnte, wann der Ausflug endlich los geht. Besserer Laune kam sie kurz darauf zurück und meinte, in einer halben Stunde ginge es los. Profesora Alicia und Profesora Ruth, die sich die halbe Stunde nicht antun wollte, verschwanden kurzerhand nach draußen. Ich fasse zusammen: Von den acht Lehrern meiner Schule waren zwei draußen, zwei waren inzwischen eingeschlafen, einer spielte mit seinem Sohn und die Subdirektorin guckte mit einer Kollegin einen Modekatalog an, in dem man Kleider und Schuhe bestellen konnte. Doch die Subdirektorin, die auch Eufemia heißt, hielt es nicht länger aus und wusste uns schließlich aus dieser Misere zu helfen: „Wir gehen jetzt einfach nacheinander langsam raus, damit es nicht so auffällt und dann gehen wir was essen.“ Gesagt, getan. Innerhalb von wenigen Minuten war kein einziger Lehrer von „Nuestra Señora de Fatima“ mehr in der Aula. Kaum aus dem Bürogebäude draußen, stand die Erleichterung allen Beteiligten ins Gesicht geschrieben und ich erfuhr jetzt erst, dass es der Geburtstag der Subdirektorin war. Grund genug, was essen zu gehen und ihren Geburtstag zu feiern. An diesem Morgen fielen noch öfter Kommentare wie „Ist hier doch viel besser als im Museum!“
In einem Restaurant um die Ecke wurde die Subdirektorin (und ich) von den anderen Kollegen zum Essen eingeladen. Anschließend gab der Kellner uns noch eine Flasche Schnaps, aus der jeder ein Gläschen trank und die Gesichtsausdrücke während und nach dem Trinken für sich sprachen.
Dieser Tag hat mal wieder eindrucksvoll gezeigt, welche Unterschiede zwischen der europäischen und der peruanischen Kultur bestehen und dass es gut ist, nicht immer der breiten Masse zu folgen, sondern seinen eigenen Weg zu gehen.

 
 
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