La Balanza e.V. Böttingen
  März 2020
 
Burladingen, 23. März 2020
Geschreiben von Lara Leibold
Alles, was ich vorher zu wissen geglaubt hatte, wurde auf den Kopf gestellt

In meiner letzten Woche sowohl im Casa Mantay, als auch in Cusco und Peru, überschlugen sich die Ereignisse auf einmal. Während am Montag noch alles in Ordnung war und ich nichtsahnend meine letzte Woche im Mantay antrat, brach am Dienstag auf einmal Panik in ganz Cusco und wohl auch in ganz Peru aus. Den Grund für dieses Chaos lässt sich schon erahnen: Coronavirus. Am Anfang machten wir uns noch über die Peruaner lustig die säckeweise Reis einkauften und alle Straßen mit Schlangen füllten, die zu irgendeinem Laden führten. Doch das Lachen verging uns ganz schnell, als der peruanische Präsident verkündete, die Ein- und Ausreise in und aus sämtlichen Ländern zu stoppen. Während andere Volontäre sich sofort einen Rückflug buchten, überlegte ich lang hin und her, ob ich meine Reise abbrechen sollte oder nicht. Da man aber unter den Umständen in Bolivien nicht viel machen kann und ich auch nicht ewig in Südamerika festsitzen wollte, entschied ich schließlich mit meinen Eltern, dass auch ich heimfliegen werde.
Nachdem alle Ersatzflüge, die ich für die nächste Woche hätte bekommen können, über Madrid gingen und nicht sicher war, ob der Flughafen noch lange in Betrieb sein würde, entwarf ich mit meiner englischen Freundin, mit der ich eigentlich durch Bolivien gereist wäre, den Plan, dass wir am Montag zusammen nach London fliegen, dort ein paar Tage verbringen würden und ich danach nach Deutschland fliegen würde. Am Freitag kam dann aber die Nachricht, dass ab Montag alle Flüge von und nach Europa gestrichen werden und somit unser Plan nicht aufgehen würde. Daraufhin buchte ich den frühestmöglichen Flug, den ich finden konnte: Dieser ging am Samstagabend los über Lima und Toronto in die Schweiz und ich hoffte, dass ich mit der Verbindung ankommen würde.

Die Woche in Mantay lief, außer den ganzen Sorgen, gut und ich bin froh, so eine schöne Abschiedswoche dort gehabt zu haben. Am Montag war ich bei den Babys eingeteilt, was wie immer, ausgenommen der Essenszeiten, ganz ruhig verlief. Den Dienstag und Mittwoch verbrachte ich mit den Sechs- bis Zwölfjährigen, wobei wir am Dienstag zusammen mit den jüngeren Kindern in den Wald gingen. Der Mittwoch gestaltete sich etwas schwieriger. Ich hatte einige Spiele und Aufgaben für die Jungs vorbereitet, allerdings hatten sie auf nichts Lust und wollten nur vor dem Computer sitzen und Videos auf Youtube anschauen. Das war ziemlich anstrengend.
Am Donnerstagmorgen ging ich in die Aldea Yanapay, um mich dort zu verabschieden, doch zu meiner Enttäuschung waren sehr wenige Kinder da, weil für die einen schon die Schule angefangen hatte und die anderen Angst vor dem Coronavirus hatten. Von den Übriggebliebenen wurde ich jedoch so herzlich begrüßt wie jedes Mal zuvor. Auch im „círculo del amor“ wurde über das Thema geredet, da sich die Kinder offensichtlich alle große Sorgen machten. Den Mittag verbrachte ich dann damit, einen neuen Flug zu suchen. Am Freitag war dann schon mein letzter Tag gekommen. Erschreckend wie schnell der eine Monat im Projekt und allgemein die fünf Monate in Cusco vergangen waren. Ich war in der Küche eingeteilt, die an diesem Morgen ein einziges Chaos war, da Isbilda ihren ersten Küchendienst antrat und noch etwas unorganisiert war. Die Hilfe der Volontäre kam ihr daher sehr Recht und zusammen schafften wir es dann doch, am Ende des Tages alle Mäuler zu stopfen. Als es in der Küche nichts mehr zu tun gab, machte ich mich außerdem auf den Weg, für meinen Abschied Torten zu kaufen, da ich bei unserem Besuch im Dezember gesehen hatte, wie gern sie diese essen.


Zum Abschied bei Casa Mantay gab es Torte für alle. Foto: Lara Leibold

Schon als ich mit den zwei großen Kartons die Eingangshalle betrat, waren alle aus dem Häuschen. Bis nach dem Mittagessen mussten sie sich jedoch gedulden. Dann fing ich an, die Torten aufzuschneiden, wobei ich aufpassen musste, keinen der Finger der Kinder zu erwischen, die die ganze Zeit schon versuchten, das erste Stück zu ergattern.


Joel, Fred und Dashiro (von links) "verputzten" ihren Anteil schneller als man
gucken kann. Foto: Lara Leibold

Als dann alle satt gegessen und glücklich waren, war die Stunde des Abschieds gekommen. Die Mädchen richteten ihre Worte an mich und obwohl ich nur so eine kurze Zeit im Projekt gewesen war, merkte man ihnen ihre Dankbarkeit an, und ich war gerührt von den vielen festen Umarmungen, die ich danach bekam.


Taditionell macht das Abschiedsgeschenk die Runde durch alle Hände,
bevor es übergeben wird. Foto: Sergio


Für Lara (mitte) hieß es auch bei Casa Mantay "adiós". Foto: Sergio

Als Dankeschön bekam ich einen selbstangefertigten Kofferanhänger aus der Werkstatt Mantays geschenkt. Nach einigen Abschlussfotos ging es dann auch schon nachhause, wo ich meinen Koffer packen musste, denn ich wollte noch am gleichen Tag mit all meinen Sachen ins Zentrum fahren wollte, um dort meine letzte Nacht und meinen letzten Tag zu verbringen.


Noch ein letztes Abschiedsfoto mit Lara Leibold (mitte links)
bei Casa Mantay. Foto: Sergio

Den Abend wollte ich mit den anderen Volontären in der Villa Mágica verbringen, zumal alle Bars und Diskotheken schon geschlossen waren. Die Stimmung war jedoch ziemlich schlecht, alle waren bedrückt, nachdenklich, hatten Angst und kleine Konflikte eskalierten sehr schnell. Die meisten Volontäre hatten schon einen Rückflug für das Wochenende gebucht, während andere noch überlegten, ob sie heimfliegen sollen oder nicht.


Abschiedsessen der Volontäre von Yanapay
mit Lara Leibold (3. von rechts). Foto: Kellnerin

Am nächsten Tag genossen wir alle noch einmal Cusco, gingen essen, kauften uns noch eilig einige Souvenirs und verabschiedeten uns voneinander. Um 17.30 Uhr machte ich mich dann nervös auf den Weg zum Flughafen und hoffte, dass alles nach Plan ablaufen würde. Dort traf ich noch auf Iván, der sich von mir verabschiedete.


Iván Dávila Babilonia verabschiedete Lara Leibold 
am Flughafen von Cusco. Foto: anderer Reisender

Bei meinem Flug von Cusco nach Lima ging alles gut und ich redete mit vielen Leuten, denen es gleich wie mir ergangen war. Alle wollten nur noch so schnell wie möglich aus Peru raus und in ihr Heimatland zurück. Beim Abheben machte sich ein komisches Gefühl in meinem Magen breit, was allerdings nicht am Fliegen lag. Nach fünf Monaten machte ich mich nun tatsächlich auf den Rückweg, nachdem ich fast ein halbes Jahr dort gelebt hatte und Cusco für mich zur Heimat geworden war, verließ ich die Stadt und zusätzlich verpasste ich auch noch eine Reise, der ich die ganze Zeit über entgegengefiebert hatte. Mein Abenteuer endete ganz abrupt ohne richtigen Abschluss und das alles wegen eines Virus, das trotz der weit entwickelten medizinischen Möglichkeiten nicht in Griff zu bekommen ist. Ich war hin- und hergerissen, ob ich traurig sein sollte, ob ich mich auf daheim freuen oder meiner Reise hinterher trauern sollte. Hauptsächlich war ich jedoch dankbar: all den Menschen, die mich während der Zeit begleitet haben, für mich da waren und mir geholfen haben, den Kindern, mit denen ich zusammenarbeiten und von denen ich so viel lernen durfte, meinen Eltern, die mich unterstützt haben und vor allem La Balanza und Klaus, ohne den ich wohl nie an den Orten gelandet wäre, an denen ich gelandet bin und nie die Erfahrungen gemacht hätte, die ich machen durfte. Danke dafür!
Nachdem ich eine Weile meinen Gedanken hinterhergehangen war, schlief ich dann ein und wachte erst wieder durch den Ruck auf, mit dem wir in Lima landeten. Dort hatte ich nun sieben Stunden Aufenthalt, in denen ich wieder viel Zeit hatte, nachzudenken, mit Leuten zu reden und Leuten zu beobachten. Ganz viele waren mit Mundschutz unterwegs, alle schauten ernst drein, man sah Angst in vielen Augen, ich hörte viele Geschichten von Reisen, die wie meine, viel zu früh enden mussten und dem Hoffen, noch irgendwie heimzukommen, denn auf der Anzeigetafel, die ich die ganze Nacht beobachtete, wurde ein Flug nach dem anderen als „gecancelled“ gemeldet und ich betete, dass der nach Toronto bestätigt bleiben würde.... und ich hatte Glück!.
Als ich mich gegen 1.30 Uhr zum Einchecken begab, war der Flug immer noch bestätigt und als ich endlich im Flugzeug saß, war ich unglaublich erleichtert. Der Flug nach Toronto war relativ angenehm und ich schlief viel. Dort angekommen, wartete jedoch der nächste Schock auf alle Passagiere im Flugzeug. Der Pilot verkündete nach der Landung, dass wir doch bitte alle sitzen und angeschnallt bleiben mögen, da sich eine Person an Bord befinde, die medizinische Versorgung benötige. Meine Sitznachbarn und ich schauten uns nur geschockt an. Nach einer Weile kam dann ein Mann, mit Schutzanzug und Helm bekleidet, ins Flugzeug, spritzte eine ältere Dame ein paar Reihen vor uns und geleitete diese aus der Maschine. Der Pilot sagte durch, dass wir nun auf genauere Informationen des Medizinteams warten müssten. Es dauerte fast eine Stunde bis in einer weiteren bekanntgegeben wurde, dass man die Regierung kontaktiert habe, die entschied, dass man darauf verzichte, das ganze Flugzeug in Quarantäne zu legen und wir unsere Reise fortsetzen könnten, aber die nächsten zwei Wochen zuhause bleiben sollten. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Reihen und alle verließen ruhig das Flugzeug. Die Menschen, die bei der alten Dame in der Reihe saßen, bekamen einen Zettel, allerdings wissen wir nicht, was genau mit ihr los war und ob die Möglichkeit besteht, dass sie an dem Virus erkrankt war.
Nun folgten weitere vier Stunden des Hoffens, dass auch mein letzter Flug bis nach Zürich planmäßig stattfinden würde und ich hatte wieder Glück. Beim Boarding war ich schon von lauter Deutschsprachigen (wenn auch Schweizerdeutsch) umgeben und ich konnte es nicht glauben, dass ich nun tatsächlich bald heimkommen würde. Der Flug nach Zürich war sehr spektakulär, da ich sowohl den Sonnenuntergang in Kanada, als auch den Sonnenaufgang mit Alpenpanorama in der Schweiz beobachten konnte.


Sonnenaufgang kurz vor der Landung in Zürich. Foto: Lara Leibold

Bei der Landung brach ich dann schon wie beim Abflug in Cusco in Tränen aus, denn nun war meine Reise tatsächlich zu Ende, auch wenn es mir immer noch unrealistisch vorkam. Ich begriff erst so richtig, dass ich angekommen war, als ich bei der Einwanderung  zum ersten Mal wieder „Guten Morgen“ anstatt „Buenos días“ sagte. Dann konnte ich meinem Vater endlich in die Arme fallen, der alleine gekommen war um mich abzuholen, denn an den Grenzen waren ab Montagmorgen um acht Uhr verstärkte Kontrollen angekündigt worden. Es blieb jedoch keine Zeit für große Wiedersehensszenen, denn wir hofften noch vor acht Uhr in Deutschland anzukommen. Im Auto wartete dann die erste Butterbrezel seit fünf Monaten auf mich, die ich schnell verschlang. Bei unserer Ankunft an der Grenze, war weit und breit kein Mensch zu sehen und wir vermuteten, dass die Sicherheitskräfte noch Lagebesprechung hielten, während wir ohne weitere Vorkommnisse passierten und ich tatsächlich in Deutschland angekommen war. Schnell gab ich allen möglichen Leuten Bescheid, die sowohl in der Heimat, als auch in Peru mitfieberten, von den Volontären war ich bis zu dem Zeitpunkt nämlich die Erste, die es nach Hause geschafft hatte. Alle anderen waren irgendwo stecken geblieben. An der nächsten Raststätte meinte mein Vater dann er müsse eine Toilette aufsuchen, was mich zunächst etwas verwunderte, worüber ich aber nicht weiter nachdachte, während ich ich das Radio anschalten wollte. Plötzlich klopfte jemand ans Autofenster und ich sah meine Schwester und meinen Freund darum rangeln, wer als erstes die Tür öffnen durfte, um mich in Empfang zu nehmen. Mit dieser Überraschung hatte ich überhaupt gar nicht gerechnet und nun gab es doch sehr große Begrüßungsszenen auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte.
Auf der Rückfahrt herrschte sehr gute Stimmung und wir hatten uns viel zu erzählen. Trotz der ganzen Situation beschloss ich, die engste Familie einzuladen, um wenigstens alle einmal zu sehen, bevor die Situation schlimmer wird und ich verbrachte einen schönen Abend zuhause.


Zurück in der Heimat: Bild der Familie Leibold mit Johannes Dehner vor der
Burg Hohenzollern. Selfie: Johannes Leibold

Obwohl ich Cusco jeden Tag vermisse und unglaublich traurig bin, meine Reise frühzeitig beendet zu haben, bin ich nachträglich froh darüber, denn schon am Montag trat in Peru und in vielen weiteren Ländern eine Ausgangssperre in Kraft. Ich hätte also nicht einmal reisen können, sondern würde jetzt in Arequipa festsitzen. Meine Rückkehr hatte ich mir zwar anders vorgestellt, weil ich nun, anstatt viele Leute zu treffen und viel zu unternehmen, den ganzen Tag daheim sitze, aber wenigstens bin ich nicht alleine, sondern habe meine Familie. Außerdem bin ich mir trotz allem bewusst, wie viel mir diese fünf Monate gebracht haben. Jetzt wo alle viel Zeit in den Medien verbringen, merke ich erst, wie viele Leute aus der ganzen Welt ich kennengelernt habe, ich konnte meinen Horizont erweitern, eine andere Kultur kennenlernen und ich habe gelernt selbstständiger zu sein und meine Probleme selbst zu lösen. Allgemein wurde alles, was ich davor zu wissen geglaubt hatte, auf den Kopf gestellt und ich bin glücklich mit all den neuen Erkenntnissen, die mein Leben in vielen Punkten definitiv verändert haben und die mein erneutes Einleben in Deutschland definitiv beeinflussen werden.
Anmerkung von Klaus Flad:
Liebe Lara,
ich wünsche dir ganz viel Zeit und Ruhe, all deine Erfahrungen und vor allem diese "Achterbahn" der Verabschiedung und der Heimreise gut zu verarbeiten. Ich habe noch nie einen so bewegenden und belebten Abschlussbericht gelesen. Danke, dass du dich auf dieses Abenteuer eingelassen hast. Gracias por todo. Bienvenida en tu tierra. Que te vaya bien.
Klaus


Cusco, 8. März 2020
Geschreiben von Lara Leibold

Ich vermisse Cusco jetzt schon

Auch die zweite Hälfte meines Voluntariats in Casa Mantay habe ich gut angefangen. Am Montag war ich gleich bei den Drei- bis Fünfjährigen eingeteilt, die mich und die andere Volontärin ganz schön auf Trab hielten. Wie immer waren sie am Anfang noch ruhig und wollten Bücher vorgelesen bekommen, doch als sie dann irgendwann anfingen, herumzurennen, beschlossen wir mit ihnen in den Park zu gehen. Der Park ganz in der Nähe des Casa Mantay besteht aus Spielgeräten, wie Klettergerüsten, Schaukeln, Rutschen und Wippen, die immer benutzt werden können und großen Trampolinen, für die Eintritt bezahlt werden muss. Da sie sich das letzte Mal, als wir ihnen erlaubt haben, die Trampoline zu benutzen, nicht benommen haben, sagten wir dieses Mal, sie sollen sich mit den anderen Spielgeräten vergnügen, von denen es schließlich auch genügend gibt. Da sie sich damit aber nicht zufriedengeben konnten, kletterten sie irgendwann doch auf eines der Trampoline und wir bekamen sie kaum mehr herunter, was natürlich auch den Aufseher der Spielgeräte verärgerte. Daraufhin gingen wir wieder zurück ins Heim und malten die restliche Zeit mit ihnen und einger ihrer Mütter.


Kerin, Dashiro und Anna (von links) beim Malen im Garten von Casa Mantay.
Foto: Lara Leibold


Am Dienstag war meine Aufgabe, mit den Sech- bis Zwölfjährigen den Morgen zu verbringen. Da diese aber die Söhne der Frauen sind, die nicht mehr im Mantay wohnen, sondern in die Werkstätte kommen, um zu arbeiten, kamen diese erst gegen 11 Uhr. Als ich ins Heim kam, zerrten mich schon die Drei- bis Fünfjährigen in ihren Raum zerrten mit dem Kommentar „Du passt heute auf uns auf“. Nachdem die Volontärin, die eigentlich dafür zuständig war, nicht erschienen war, nahm ich mich ihnen halt noch einmal an und sie benahmen sich erstaunlich gut. Wahrscheinlich hatten sie ein schlechtes Gewissen aufgrund des Vorfalles am Vortag. Als dann die älteren Jungs eingetroffen waren, spielten wir verschiedene Spiele mit ihnen und die Zeit bis zum Mittagessen verging wie im Flug.


Hannah, Diego und Sergio spielen chinesischen Fußball. Foto: Lara Leibold

Den Mittwochmorgen, sowie den Donnerstagnachmittag verbrachte ich dann in der Küche, und während ich auf diese Arbeit am Anfang nicht so viel Lust hatte, habe ich nun echt Gefallen daran gefunden. Es macht Spaß während der Arbeit mit den Mädchen zu plaudern, während dem Wischen zu Reggaeton zu tanzen und Quatsch zu machen. Am Mittwoch wartete außerdem ein besonderer Workshop auf uns: Eine Gruppe von italienischen Volontären besuchte uns und brachten uns bei, wie man selbst Gnocchis machen kann. Die Mädels waren am Anfang zwar sehr skeptisch, weil sie davor noch nie etwas davon gehört hatten und diese Kugeln aus Kartoffelteig für sie keine Nudeln waren, doch beim Mittagessen waren dann alle davon überzeugt.


Links: Nudelfabrik Mantay: Alle helfen mit und machen Gnocchis.
Rechts: Das Endergebnis sah nicht nur superlecker aus, sondern es hat auch super-
lecker geschmeckt. Fotos: Lara Leibold


 
So verging die Woche wie im Flug und schon war der Freitag gekommen. Dieser stand im Motto des internationalen Frauentags, der am Sonntag, den 8. März stattfand.
 

Zahlreiche Mitglieder der Aldea Yanapay beteiligten sich an der
Demonstration anlässlich des Weltfrauentags am 8. März.
Foto: Lara Leibold

 
Am Morgen ging ich in die Aldea Yanapay, um an der Demonstration teilzunehmen, die Volontäre und Kinder organisiert hatten. Die Wiedersehensfreude war natürlich wieder groß und auch der Spaziergang mit den Kindern durchs Zentrum Cuscos machte großen Spaß, zumal Mauricio mich gleich an der Hand nahm und mich die ganze Zeit über nicht mehr losließ.

Glücklich, sich wiederzusehen: Mauricio, Lara und Marjodie (von links).
Selfie: Foto: Lara Leibold

 
Wir bekamen wieder viel Aufmerksamkeit, überall wurden wir gefilmt, fotografiert und als wir auf der Plaza de Armas unsere Yanapay-Lieder sangen, bekamen wir großen Applaus.
Nach diesem Ausflug ging ich ins Casa Mantay, wo dieses Thema natürlich auch behandelt wurde. Zusammen mit einer der Erzieherinnen gestalteten wir eine Stellwand, auf der alle, Mütter und Volontärinnen, festhielten, worin ihr Kampf als Frau besteht. Die Antworten der Mamas waren besonders rührend, weil sie immer ihre Kinder beinhalteten und der Wunsch, diesen ein schönes Leben zu bereiten, groß war.
 

Welcher ist mein Kampf als Frau? Die Mädchen von Mantay machten sich
ihrer Rechte und Stärken bewusst. Foto: Lara Leibold


Am Sonntag machte ich zusammen mit einigen Volontären von Yanapay eine letzte Exkursion, die bis dahin noch auf meiner Liste stand: die alternative Route der Regenbogenberge.


Die faszinierenden Regenbogenberge. Foto: Lara Leibold


Die faszinierenden Regenbogenberge. Foto: Lara Leibold 
 
Im Gegensatz zum bekannten Regenbogenberg, wurden diese erst vor drei Jahren für Touristen entdeckt und sind dadurch noch relativ unbekannt und kaum besucht, dabei lohnt sich meiner Meinung nach dieser Ausflug viel mehr. Der Weg vom Bus zum ersten Regenbogenberg dauerte vielleicht fünf Minuten, wobei wir einen leichten Aufstieg hinter uns bringen mussten.


Die faszinierenden Regenbogenberge. Foto: Lara Leibold


Team Yanapay inmitten der  Regenbogenberge. Foto: Mitreisende

Danach folgten drei weitere Aussichtspunkte, von denen aus man das rote Tal und zwei weitere Regenbogenberge bestaunen konnte, bevor wir dann zum Steinewald aufsteigen konnten.


Beim Spaziergang durch den Steinewald. Foto: Lara Leibold

Dieser Aufstieg war etwas anstrengender und forderte auch unsere Kletterkünste heraus, allerdings lohnte sich die Anstrengung, denn während wir durch Felsformationen hindurch wanderten, konnten wir die Aussicht über alle Regenbogenberge, das rote Tal und die beschneiten Berge am Horizont genießen.


Ausblick vom Steinewald über die atemberaubende Landschaft von
Regenbogenbergen. Foto: Lara Leibold

Insgesamt war der Ausflug nichts als ein kleiner Spaziergang, bei dem man durchgehend die atemberaubende Landschaft bestaunen konnte und wir alle waren glücklich, diesen Ort besucht zu haben.
Jetzt ist schon wieder Sonntagabend und meine letzten fünf Tage in Cusco stehen bevor, denn am Freitagabend mach ich mich schon auf nach Arequipa, um meine Reise zu beginnen. Eine Woche des Abschieds, aber sicherlich auch eine wunderschöne Woche wartet auf mich. Es fühlt sich noch immer unrealistisch an, dass die Zeit, die mir am Anfang so unglaublich lang erschien, jetzt schon vorbei ist und ich kann mir noch nicht vorstellen, mich von dieser Stadt und all den Leuten, die ich hier kennengelernt habe, zu verabschieden.

Auszug aus der Mail von Lara mit dem Bericht: 
Hallo Klaus,
(.....) Wie du schon an der Anzahl der Bilder erkennst, wird es auch nach fünf Monaten noch nicht langweilig und ich konnte mich nicht zwischen den Bildern entscheiden, sodass es heute etwas mehr sind. Mir bleiben noch fünf Tage in Cusco und so langsam verstehe ich, was du immer damit meinst, wenn du Heimweh nach Cusco hast. Ich vermiss' die Stadt jetzt auch schon. (...)


Cusco, 4. März 2020
Geschreiben von Lara Leibold

Ich kann mir gar nicht, also wirklich überhaupt gar nicht vorstellen, Cusco in zwei Wochen zu verlassen
Ich bin gerade wieder erschrocken, als ich das Datum des Berichtes aufgeschrieben habe. Schon wieder ein neuer Monat und somit der zweitletzte Monat meiner Reise. Auch meine zweite Woche bei Casa Mantay ist jetzt schon vorbei und ich kann es kaum glauben, dass mir nur noch zwei Wochen in meinem geliebten Cusco bleiben. Nachdem ich fünf Monate hier gelebt habe, tut es irgendwie weh, weiterzureisen, obwohl ich es inzwischen auch kaum mehr erwarten kann, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ich blicke auf eine weitere ereignisreiche Woche mit vielen Erkenntnissen zurück. Meine zweite Woche in Mantay begann ich, wie schon die Erste, in der Küche des Haushalts. Allerdings war Nancy an der Reihe, das Essen für alle vorzubereiten und die ist dafür bekannt, immer alles im Griff und nie Arbeit für die Volontäre zu haben. Also verbrachte ich den größten Teil des Morgens an meinem Lieblingsplatz des Heims, der Babybetreuung. Es macht einfach viel zu viel Spaß mit den Kleinen zu spielen und die Babys herumzutragen, obwohl es auch immer mit viel Sauerei, vor allem beim Essen, verbunden ist. Am Dienstag war ich dann wirklich bei den Babys eingeteilt und verbrachte noch einen Morgen damit, mich an ihnen zu erfreuen. Mir ist diese Woche aufgefallen, dass die verschiedenen Mütter ganz verschiedene Beziehungen zu ihren Kleinen haben. Während manche immer wieder vorbeischauten, um selbst mit ihrem Baby zu spielen, es zum Essen begleiteten oder einfach nur kurz mit ihnen kuschelten, bevor sie weiter arbeiteten, waren andere jedes Mal genervt, wenn man sie rief, weil ihr Kind weinte.
Am Dienstagmittag hatten wir deutschen Volontäre dann ein äußerst interessantes Treffen mit der Gründerin des deutschen Vereines „Mantay“, der das Casa Mantay bei Reparaturen und Instandhaltungen finanziell durch Spendengelder unterstützt. Barbara erzählte uns erst einmal ausführlich, wie sie zu Mantay kam, wie sie den Verein gründete und wo die meisten Spendengelder herkommen, bevor sie uns die aktuelle Situation des Projektes erklärte. Uns war schon aufgefallen, dass es gerade etwas kritisch um das Heim steht, da nicht mehr viele Angestellte zu sehen sind und uns die Volontäre, die schon länger dort sind, von vielen Veränderungen erzählten. Am meisten schockte uns, dass am Montag einfach so, ohne jegliche Erklärungen, der Sozialarbeiter entlassen wurde und spätestens da wurde uns klar, wie es wohl um die finanzielle Lage Mantays steht. Ich hatte auch davor schon auf Facebook zahlreiche Spendenaufrufe gesehen. Barbara erzählte uns, dass letztes Jahr zwei wichtige Spender weggefallen sind und jetzt erst einmal Sparen angesagt ist. Diese Geschichten regten mich irgendwie extrem zum Nachdenken an, und mit den anderen Volontären überlegten wir, wie man für solche Projekte an mehr Geld kommen könnte, aber auf eine richtig gute Idee kamen wir nicht. Zwei Mädels schlugen vor, die Artikel, die in Mantay hergestellt werden, auf Weihnachtsmärkten zu verkaufen, doch ich erzählte ihnen, wie es bei uns für La Balanza bei den Verkäufen immer läuft, denn für Mantay würde es sicher nicht viel besser laufen. Barbara äußerte dann noch den Wunsch, dass sich eine Gruppe an Volontären findet, die den Kontakt zwischen allen deutschen aktuellen und alten Volontären aufrecht erhält, immer wieder Mails an alle schickt und vielleicht einmal im Jahr eine Aktion für das Projekt startet.


Die Wanderung zum Berg Picol bahnt sich seinen Weg zum Gipfel.
Foto: Lara Leibold

Am Mittwoch hatte ich dann eine sehr eindrückliche Erfahrung, auf die ich noch lange zurückblicken und von der ich noch vielen Menschen erzählen werde. Morgens um 5.30 Uhr trafen sich die Volontäre und Mütter, die wollten, um an der Wanderung der Bewohner von San Jerónimo auf den höchsten Berg des Distrikts, den mehr als 4000 Meter über den Meeresspiegel ragenden Picol, teilzunehmen. Diese Wanderung findet jedes Jahr statt, um (wenn ich es richtig verstanden habe) die Unabhängigkeit vom Bezirk San Sebastian zu feiern und zu demonstrieren. Voraus gingen die „Comuneros“, so etwas wie Gemeinderäte, in traditionellem Poncho und Mütze gekleidet und mit einem Horn aus einer Muschel ausgestattet, das sie alle paar Meter bliesen. Außerdem ging eine Kapelle mit Trommeln und traditionellen Flöten voraus, die gelegentlich Märsche spielten.


Die erste Etappe ist bald geschafft. Das Mittagessen naht.
Foto: Lara Leibold

Schon zu Beginn ging es steil aufwärts durch Wälder und Wiesen. Bis zur ersten Pause waren wir Volontäre schon total geschafft und eine Volontärin war sogar schon umgekehrt, während die Mütter aus Mantay den Weg mit einer Leichtigkeit zurücklegte, die uns überraschte. Schließlich hatten manche von ihnen vor einem Jahr erst ein Kind zur Welt gebracht. Wir merkten aber immer mehr, dass die Peruaner es wohl gewohnt sind, einen Berg hinaufzurennen, weil auch die restlichen Teilnehmen uns langsam aber sicher überholten.


Je höher wir kamen, desto schöner war die Berglandschaft.
Foto: Lara Leibold

Nach etwa vier Stunden Aufstieg kamen wir auf einer Hochebene an, wo wir eine Mittagspause machten. Dabei waren wir Deutschen die große Attraktion: Man lud uns zum Mittagessen ein, wollte Bilder mit uns machen und forderte uns zum Tanzen auf.


Blick auf den bereits entlang der Bergkämme zurückgelegten Weg.
Foto: Lara Leibold

Unter den Mitgliedern Mantays wurden Choclo, Kartoffeln und Eier (von Seiten der Mütter) und Brote mit Avokado, Kekse, Schokolade und andere Süßigkeiten (von Seiten der Volontäre) geteilt, wobei die Volontäre eher auf das peruanische und die Mütter auf unser ungesundes Essen scharf waren. Nach dieser Pause folgte ein Ritual, bei dem die Comuneros mit Kokablättern die höchsten und wichtigsten Berge grüßten, bevor wir uns weiter an den Aufstieg machten. Alle versicherten uns, dass es nun nicht mehr weit sei und keine großen Aufstiege mehr kommen würden. Für mich war der Teil der Wanderung, der nun folgte, jedoch der schlimmste. Sie hatten Recht damit, dass keine großen Aufstiege mehr kommen würde, allerdings ging es entlang eines Bergkamms über Felsen und Steine immer rauf und runter. Das Gelände war eher unwegsam und man musste sich seinen Weg teilweise kletternd suchen. Bei diesem Teil hatte ich ziemlich Angst, da es rechts und links den Abgrund hinunter ging und ich in solchen Situationen dann doch etwas Höhenangst habe. Außerdem waren die Peruaner, die immer noch keine Probleme hatten, ziemlich rücksichtslos und drängten immer von hinten, was mich zusätzlich unter Druck setzte. Nur am Ende reichte mir einer, der mir meine Angst wohl angesehen hatte, die Hand und half mir die letzten Meter bis zum Ziel. Nach zwei weiteren Stunden waren wir also endlich am Gipfelkreuz angekommen, wo wir uns ausruhten, aßen und die Aussicht bei Sonnenschein genossen.


Ein Teil des Teams von Casa Mantay auf dem Gipfel des Bergs Picol.
Foto: anderer Wanderer

Ich war froh, nach sieben Stunden den Aufstieg hinter mir zu haben, ohne zu ahnen was noch vor uns lag. Für den Abstieg gab es nämlich ebenfalls keine Wege, sodass wir den ersten Teil auf dem Hinterteil rutschend zurücklegen mussten, was ziemlich witzig war. Danach durchquerten wir über einen Trampelpfad den Wald, was sich als größere Schwierigkeit herausstellte. Wir hatten alle schon müde Beine und konnten nicht mehr schnell laufen, während die peruanischen Jungs immer noch voller Energie und nun auch gut angetrunken waren und immer wieder gemeine Kommentare über Frauen und Gringos abgaben. Wir halfen uns jedoch alle gegenseitig und die Mütter, die immer noch Kraft hatten, reichten uns die Hand immer wenn wir sie brauchten. Ich freute mich über den Zusammenhalt der Gruppe, in der es nicht darum ging, wer als erstes unten ankommen, sondern dass wir alle unbeschadet und zusammen an unser Ziel kommen würden. Nach gefühlten unendlichen Stunden waren wir endlich unten angekommen. Ich konnte inzwischen kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen und war echt froh, die Aktion unbeschadet überstanden zu haben. Ich hätte nie gedacht, dass es so anstrengend und schwierig werden würde, und das war wohl die schwierigste Wanderung, die ich je gemacht habe. Den Muskelkater spürte ich noch bis fast eine Woche danach. Allerdings war es eine unglaubliche Erfahrung, die ein normaler Tourist nie gemacht hätte. Die Gruppe wurde mehr zusammengeschweißt und zum ersten Mal konnte ich so richtig eine Verbindung zu den Müttern aufbauen, die auch jetzt noch anhält. Am Donnerstag bekam ich dann aber die Nachwirkungen zu spüren, wachte mit Halsweh, Kopfweh und einem ordentlichen Sonnenstich auf und konnte kaum den Weg zur Küche zurücklegen, um mir etwas zu Essen zu holen, sodass ich den ganzen Tag im Bett blieb. Am Freitagmorgen ließ ich es mir trotzdem nicht nehmen, zur Aldea Yanapay zu fahren, wo ich, wie schon die Woche davor, sehr erfreut von allen begrüßt wurde. Mittags fuhr ich dann mit einer Volontärin von Yanapay ins Mantay, um meine Schicht dort anzutreten. Wir waren den Mittag über bei den Babys und meine Freundin war begeistert von dem Projekt und ließ sich von mir den Kontakt der Koordinatorin geben, um auch dort anzufangen. Außerdem lief ich noch mit einem der Mädchen zum Gesundheitszentrum und holte dort eine Schwangere ab, um sie wieder ins Heim zu begleiten. Dieser Rückweg war relativ witzig, weil wir herausfanden, dass wir am gleichen Tag ins Mantay gekommen waren und beide den Rückweg nicht genau kannten. So irrten wir ein paar Minuten durch San Jerónimo, bis wir dann schließlich doch ankamen. Ich freute mich, dass die 12-jährige mit mir redete und lachte, weil sie sonst immer nur sehr ruhig in einer Ecke sitzt und nachdenklich ihren Babybauch streichelt. Am Wochenende genoss ich dann noch einmal Cusco, ging Essen, auf verschiedene Märkte, traf mich mit Freunden, um Kaffee zu trinken und viel Spazieren zu gehen. Natürlich ließen wir es uns auch nicht nehmen, am Samstagabend auszugehen, wobei wir eine große Gruppe waren, da ich die Volontäre von Yanapay und Mantay vereinte. Das fand ich sehr schön. Am Sonntag ging ich außerdem mit Iván beim Karnevalsfest von San Jerónimo Essen, bevor ich mich gut für meine zweitletzte Woche in Cusco ausruhte. Diese Woche habe ich viele Fortschritte gemacht: Ich habe Beziehungen und Verbindungen zu den Mädchen im Mantay aufgebaut und fühle mich jetzt wie eine Freundin von ihnen. Außerdem habe ich mit Volontären von Mantay meine Freizeit verbracht und diese auch mit den Volontären von Yanapay zusammengebracht, wobei viele Freundschaften entstanden sind. Ich kann mir gar nicht, also wirklich überhaupt gar nicht vorstellen, Cusco in zwei Wochen zu verlassen. Die Stadt ist mein Zuhause geworden und ich kenne viele Leute, die auch fest hier leben, ganz zu schweigen von den vielen tollen Menschen in den beiden Projekten. Trotzdem freue ich mich auch unglaublich, bald wieder nach Burladingen zurückzukehren, weil mir auch mein Alltag dort, meine Familie, Freunde und mein Freund unendlich fehlen. 

 
  Den ein oder anderen Besucher unterschlägt der Besucherzähler. Er hat auf dieser Seite schon mindestens 367191 Besucher (799997 Hits) gezählt. Dazu kommen etwa 1200 Besucher (9500 Hits) der alten Adresse!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden