La Balanza e.V. Böttingen
  Januar 2019
 
Cusco, 16. Januar 2018
Geschrieben von Tim Tegtmeyer
Es sind die vielen kleinen Momente, die mich in der Schule glücklich machen

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich schon mal so sehr auf den „Schulanfang” gefreut habe. Auch wenn nicht wie gewohnt als Schüler, aber auch das Wort „Arbeit“ hat für die meisten trotzdem einen faden Beigeschmack. Das kann ich von hier nicht behaupten. Mir macht die Arbeit Spaβ wie am ersten Tag und daher war ich wirklich froh, mich letzte Woche wieder auf den Weg in die Schule machen zu können. Vor Ort wurden wir herzlichst von allen Kindern begrüβt und alles kehrte nach und nach wieder in den gewohnten Ablauf zurück. Das Thema der ersten Woche lautete „Die Regeln, Normen und Volontäre von Yanapay“. Das Gesicht meiner Kleinen war dementsprechend nicht sehr erfreut, als ich das Thema am Dienstag verkündete, sie hatten die Woche über irgendwie wichtigere Themen im Kopf wie Dinosaurier, wo Santa Klaus lebt oder ob dieser grüne Fleck neben Australien der Titicacasee sei. Besonders interessiert an allem zeigte sich der kleine Mauricio, der zu meiner Freude von der Familie Wawacha in meine Familie Kalpa gewechselt ist und jede Gruppenstunde – sagen wir – belebt. „Profe, in welchem 2000er-Jahr haben die Dinosaurier gelebt?“. „Profe, haben die Pinguine in der Antarktis auch solche Becken wie im Zoo?“. Das ist eben seine Art, sich in dieser Welt zurechtzufinden, seine Art, diesen groβen Planeten kennenzulernen, und ich finde es wirklich toll, was er für ein Interesse daran hat. Dieses Interesse kann ich natürlich meinen anderen Kindern auch nicht absprechen. Trotz allem kümmerten wir uns aber um die Normen der Schule, es gab schlieβlich wie jeden Freitag die Show, wo auch Familie Kalpa etwas bieten sollte. Am ersten Tag näherte ich die Kids zeichnerisch an das Thema an, was ihnen meistens noch am meisten Spaβ macht. Die Tage darauf, wenn es zu den Proben für das Theaterstück übergeht, verschwindet die Motivation meist schlagartig wieder. Trotz allem zeigten wir eine durchaus ordentliche Show, und ich habe das Gefühl, Hauptdarsteller Kareem entdeckte ein wenig seinen Spaβ am Schauspielen. So neigte sich die erste Schulwoche bereits schon wieder ihrem Ende zu.

 
Links: Familie Kalpa bei der Arbeit Foto: Koordinatorin Ladoysk
Rechts: Tim wurde von den Kindern in ein Kunstwerk verwandelt. Selfie: Tim Tegtmeyer

Auch auβerhalb der Schule kehrte alles wieder zu altbekannten Mustern zurück. Heiβt im Klartext, man macht wieder alles zusammen unter den Volontären, man kocht zusammen, isst zusammen, spielt zusammen. Auβerdem haben wir einen Sportplatz in der Nähe für uns entdeckt, waren häufig Basketball spielen und zweimal waren wir im Kino. Es freut mich wirklich, wie alles wieder wie vor der Weihnachtszeit wird, auch wenn wir immernoch wenige Volontäre sind, so sind wir denke ich zu einer wirklich tollen Gruppe zusammengewachsen, die sich auch (Zum Glück!) nicht bald wieder gezwungenermaβen auflösen muss, sondern noch einige Zeit so bestehen kann und wird. Auch mit der neuen Koordinatorin im Projekt, Oihane aus Spanien, verstehen sich alle bestens und auch in der Schule verstehen sich alle dementsprechend gut. Ich habe das Gefühl, diese Harmonie und Ausgelassenheit wirkt sich auch auf die Kinder aus, es läuft einfach alles harmonisch und entspannt im Moment. Ich hatte selten das Gefühl, so sehr ich selbst sein zu können, wie hier im Moment.
Auch das vergangene Wochenende war da keine Ausnahme. Da wir im Moment morgens arbeiten und daher abends nicht mehr ausgehen sollten, stand schon von Anfang an fest, dass dann eben der Freitagabend herhalten muss. Da aber die meisten gesundheitlich nicht fit waren, zogen Gino (aus Lima) und ich alleine los, das Nachtleben ein wenig zu genieβen. Eine Bar und drei Clubs später kehrten wir schlieβlich wieder nach Hause zurück. Dementsprechend begann der Samstag für mich um 13 Uhr, Frühstück und Mittagessen  verschmolzen gezwungenermaβen zu einem. Ich nutzte den Tag, ein paar Flüge für meine Reise im März und April zu buchen, ein paar Kleinigkeiten zu regeln und (wie fast jeden Tag) mit den anderen etwas zu spielen. Auch wenn für Sonntag eine Tour anstand, wollten wir es uns, diesmal in gröβerer Runde, nicht nehmen lassen, erneut nachts loszuziehen. Entsprechend müde ging es am Sonntagmorgen auf den Weg Richtung Urubamba-Fluss, Rafting stand erneut auf dem Programm. Unterwegs waren wir zu sechst, bestehend aus vier Volontären, einer Reisenden und einem Einheimischen. Dort angekommen waren wir erst mal froh, dass es nicht - wie im Moment eigentlich jeden Tag – regnete, sondern sogar die Sonne schien. So fuhren wir mit unserem Schlauchboot den Urubamba-Fluss mit all seinen Stromschnellen zwei Stunden lang hinunter. Besonders fasziniert (und nass) war ich immer, wenn der Guide plötzlich „Alle ins Boot!“ schrie, ohne dass ich auch nur eine heftige Welle sah, und das Boot auf einmal wie aus dem nichts komplett überflutet wurde.


Eine unerwartete Welle sorgte für Gaudi beim Rafting. Foto: Guide

Nach zwei Stunden kamen wir total durchgefroren und nass dort an, wo unser Auto wartete, zogen uns um, fuhren ins Camp und durften erst mal eine Sauna genieβen. Nach dem Mittagessen flitzten wir noch einmal per Zipline über den Fluss und wieder zurück, bevor es wieder nach Cusco ging.


Tim (5. von links) und seine Freunde beim Rafting. Foto: Guide

Diese Woche konnte ich meine Kleinen mit einem interessanteren Thema erfreuen: Familie. Seit heute bin ich zudem nicht mehr alleine mit meinen Kalpas, ein Volontär aus Taiwan leistet mir Gesellschaft, was mich besonders freut, da hier noch nie Volontäre aus Asien waren. Um sie ein wenig an das Thema zu gewöhnen, schrieb ich groβ „Familia“ auf ein Papier, und zu jedem Buchstaben suchten wir ein Wort, das zum Thema Familie passt. Nach „Felicidad“ (Fröhlichkeit), „Alegria“ (Freude), Mama und „igual“ (gleichwertig) blieben wir bei „L“ stecken. Mauricio meldete sich und sagte „Limbo!“. Ich musste lachen und fragte ihn, was Limbo mit Familie zu tun hat, doch er erwiderte direkt „in einer Familie spielen immer alle zusammen!“. Einer dieser kleinen Momente, die mich in der Schule immer wieder zum Lachen bringen, und warum ich die Kleinen so gerne hab. Sie haben einfach etwas an sich, eine Fröhlichkeit, eine positive Haltung, die einen jeden Tag zum Lachen bringt und animiert, immer weiter zu machen. Diese zeigen sie Tag für Tag, Woche für Woche, jeder einzelne, von den gröβten Teenagern bis zu den kleinsten Wawachas. Und ich glaube, von einem Kind, das zuhause Gewalt anstatt Respekt erlebt, und trotzdem jeden Morgen mit einem Lachen in die Schule kommt, können wir am Ende mehr lernen, als sie von uns.  

Cusco, 6. Januar 2018
Geschrieben von Tim Tegtmeyer
Winterferien mal anders
Da ich die letzten beiden regulären Tage in Yanapay im vergangenen Jahr leider krankheitsbedingt verpasst hatte, war ich umso glücklicher, dass ich wenigstens zum Abschluss noch zur Weihnachtsfeier mit allen Kindern kommen konnte und alle noch einmal sehen konnte, bevor es in die Winterferien ging. Und dieses letzte Wiedersehen wurde regelrecht zelebriert. Nachdem wir die gesamte Schule weihnachtlich geschmückt hatten und uns dementsprechend verkleidet hatten, stellten wir uns hinter der Eingangstür auf und jedes Kind kam einzeln herein und begrüβte alle herzlich. In solchen Momenten merkt man erst mal wieder, wie viel einem an den Kleinen eigentlich liegt und wie sehr ich sie vermisst hatte, auch wenn ich sie nur eine knappe Woche nicht gesehen hatte. Nachdem sich alle hingesetzt hatten präsentierte jede Familie in mehr oder weniger dominanter Weise ein Weihnachtslied, sowohl moderne spanische als auch klassische Versionen in Quechua wurden vorgetragen. Danach stattete uns die Policia, die peruanische Polizei, in Form von einem groβen Weihnachtsmann und einem groβen Rentier einen Besuch ab und erfreuten so die Kinder. Zum Abschluss wurde jedem Kind eine kleine Kette mit einem Symbol geschenkt, bevor sich alle in die Ferien verabschiedeten. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, über einen Ferienbeginn so traurig gewesen zu sein, obwohl ich natürlich auch wusste, dass meine Reise nach Panama kurz bevor stand.


Die Polizei stattete den Kindern bei Yanapay zu
Weihnachten, verkleidet als Weihnachtsmann und
Rentier, einen Besuch ab. Foto: Tim Tegtmeyer
Es folgten sehr ruhige Tage, die ich hauptsächlich dafür nutzte, mich auf Panama vorzubereiten. Da alle anderen ausgeflogen waren und ich schlieβlich sogar kurzzeitig der einzige Gast im Hostel war, wurde ich von den Mitarbeitern zu ihrer kleinen Weihnachtsfeier mit leckerem Essen eingeladen. Danach musste - besser gesagt durfte – ich schon meinen Koffer packen, meine Flugtickets drucken und mich am 24. mittags auf in Richtung Flughafen machen.
Es war schon ein wenig merkwürdig, Heiligabend im Flugzeug und am Flughafen von Bogota zu verbringen, doch als ich schlieβlich genau um Mitternacht nach Panama City hineinfuhr und von allen Seiten mit Feuerwerken begrüβt wurde, war das alles vergessen. Ich war in einer anderen Welt angekommen. Die ersten Tage nutzte ich, um die moderne Mega-City zu erkunden und mich in dieser sehr amerikanischen Welt einzuleben. Besonders die „Cinta Costera“, ein kilometerlanger Rad- und Fuβgängerweg am pazifischen Ozean vor all den Wolkenkratzern hat mich absolut beeindruckt und zu vielen vielen Fotos animiert.


Der kilometerlange Küstenstreifen, die Cinta Costera, animiert zum Fotografieren.
Foto: Tim Tegtmeyer


Während in den Mittagsstunden die Stadt aufgrund der Hitze wie leergefegt wirkte, erwachte sie gegen Abend richtig zum Leben, und zu meiner Freude war nicht einmal die Cinta Costera mit Touristen überfüllt, sondern es waren vielmehr die Einheimischen, die das wundervolle Ambiente genossen. Nach wenigen Tagen ging es für mich bereits weiter, früh morgens brach ich auf zur anderen Küste Panamas, der Karibikküste. Die achterbahnartige Fahrt führte dauerhaft durch dichten Dschungel, bis wir schlieβlich den Hafen erreichten. Von dort aus ging es noch eine Stunde mit dem Boot auf eine kleine Insel im San-Blas-Archipel. Was mich dort erwartete, war ein dreitägiger Traum. Weiβe Sandstrände, Palmen, türkises Wasser und ein Korallenriff direkt vor der Insel. Ich verbrachte die Tage mit Schnorcheln, Baden, am Strand liegen, Volleyball und damit zu begreifen, dass das alles kein Traum war.


Ein kleiner Rochen. Foto. Tim Tegtmeyer

Ein paar einfache Hütten waren unsere Unterkunft, Strom gab es für wenige Stunden am Tag, sonst nur das Paradies. Am dritten Tag ging es dann leider schon zurück nach Panama City, wo ich noch die letzten beiden Tage in der modernen City und auch der total gegensätzlichen Altstadt verbrachte, bevor es pünktlich zu Silvester wieder heimwärts ging.


Das Paradies auf Erden: San Blas in Panama. Foto: Tim Tegtmeyer

Nachdem ich mittags angekommen war und ein wenig Schlaf nachgeholt hatte, begannen bereits die Feierlichkeiten zum Jahreswechsel. Zusammen mit einer Mischung aus Reisenden, Volontären und Einheimischen kochten wir Pasta und schauten „Dinner For One“, was bei allen sehr gut ankam. Danach stattete ich dem Volontär Franco in seinem Restaurant noch einen Besuch ab, bevor ich mich zu Mitternacht wieder mit den anderen an der Plaza de Armas traf. Dort herrschte zwar ein riesiges Chaos, jedoch fand ich es mega cool mit tausenden von Menschen feiernd um den Platz zu rennen, während über einem die Raketen den Nachthimmel erleuchteten. Obwohl man gemäβ Tradition eigentlich 12 Runden um den Platz drehen soll, gaben wir uns nach einer halben Stunde mit einer dreiviertel Runde geschlagen und machten uns auf in den Stadtteil San Blas, um das neue Jahr würdig zu feiern. 

 
Die bunt gemischte Gruppe mit Tim Tegtmeyer (linkes Foto, 2. von rechts) wartete, ebenso
wie viele andere Leute (rechtes Foto) auf der Plaza de Armas auf den Jahreswechsel.
Fotos: Passant / Tim Tegtmeyer

Es folgten erneut ruhige Tage in Cusco, häufig war ich mit anderen Volontären essen und zwei Tage lang brachten wir das Chaos vom letzten Jahr in der Aldea Yanapay in Ordnung. Jetzt ist alles vorbereitet, dass die Schule morgen wieder öffnen kann. Ich freu mich schon wirklich unglaublich auf morgen (auch wenn ich früh aufstehen muss, was ich hier wirklich nicht mehr gewohnt bin). Ebenso schön ist es zu sehen, wie jetzt nach und nach die Volontäre wieder eintreffen und das Leben hier langsam wieder zu dem zurückkehrt, wo wir letztes Jahr aufgehört hatten. Es wird wieder aufregender, die neuen Abenteuer werden kommen und ich bin mehr als bereit dafür.


 
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