La Balanza e.V. Böttingen
  November 2019
 
Cusco, 26. November 2019
Geschrieben von Lara Leibold
An den Wechsel von der Nachmittags- zur Vormittagschule habe ich mich schnell gewöhnt

Diese Woche war für mich eine Herausforderung. Zum Einen, weil ich etwas Eingewöhnungszeit im „turno de la mañana“ brauchte. Nach meinem ersten Tag war ich ehrlich gesagt sogar etwas frustriert und enttäuscht. Die Kinder waren zwar total herzlich und haben uns auch sofort mit Begeisterung begrüßt und mit Fragen gelöchert, jedoch waren sie viel ruhiger und redeten nicht so viel wie die Kinder, die Nachmittags kommen. Diese Kinder benötigen eine besondere Betreuung und auch der Ablauf ist etwas anders als mittags. Sie kommen und schon müssen wir genau aufpassen, da sie sich größtenteils weigern, ihre Hände zu waschen und sich nicht überreden lassen, dies zu tun. Nach einer halben Stunde singen alle zusammen ein Lied oder spielen ein Spiel. Danach folgen, wie Mittags auch, zwei Stunden Workshop. Allerdings gibt es nur Hausaufgabenbetreuung, Kunst und Computer und Hausaufgabenbetreuung und Tanzen abwechselnd. Ich war im Computer-Workshop eingeteilt, was mir Schwierigkeiten bereitete. Ich kenne mich selbst nicht wirklich gut mit Computern aus und die Kinder machten Sachen, die ich nicht verstand. Außerdem spielten sie Spiele, von denen ich nicht wirklich überzeugt war, ob diese in der Aldea Yanapay geduldet sind und ich hätte ihnen gerne Alternativen gezeigt, wusste aber nicht was. Später stellte sich dann heraus, dass zwei der Jungs diese Spiele selbst auf dem Computer installiert haben, was mich irgendwie beeindruckte, weil ich keine Ahnung habe, wie man das macht, aber sie mussten natürlich gelöscht werden. An den anderen Tagen war ich im Tanz-Workshop und obwohl ich sonst nicht so gerne tanze und es mir eher unangenehm ist, unter Beobachtung anderer zu tanzen, hat mir dieser Workshop sehr viel Spaß gemacht. Die Kinder durften sich nacheinander ein Lied wünschen und haben auf dieses den anderen ihren Tanz gezeigt, welche diesen nachahmten. Dabei blühten alle auf und es macht Spaß, ihre Freude zu sehen wenn sie tanzen und sehen, dass alle mitmachen. Besonders hat mich Ale beeindruckt, ein Mädchen mit Downsyndrom, das, vor allem auf das Lied „Despacito“, leidenschaftlich tanzte. Am Donnerstag veranstalteten wir außerdem einen Wettbewerb zwischen den Mädchen und Jungs. Beide Gruppen bereiteten einen Tanz vor und zwei Lehrer bewerteten, welcher der bessere war.  
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Die Kinder des "turno de la mañana" beim Tanzen zum Lied "despacito". 
Foto: Lara Leibold
 
Nach den Workshops haben die Kinder eine halbe Stunde Pause, in der wir meistens Volleyball spielten, was mich besonders freute. Dabei war ich überrascht, dass José, der auch den „turno de la tarde“ besucht, mit größtem Spaß dabei war, während er sich Mittags nie für das Ballspielen begeistert. Man merkt, dass er im „turno de la manana“ viel mehr aufblühen kann.
Nach der Pause findet auch, wie mittags, der „círculo de amor“ statt. Allerdings läuft der etwas anders ab. Es werden zwar auch verschiedene Rituale durchgeführt, aber alles ist viel freier, es wird mehr untereinander geredet und mehr gesungen, was zu einer stärkeren Beziehung zwischen den Kindern und den Volontären beiträgt. Mittwochs bringt außerdem jeder eine Kleinigkeit zu essen mit und alles wird herumgereicht und geteilt, was mir sehr gut gefallen hat, da die Kinder so lernen, Spaß am Teilen zu haben und auch immer nur so viel zu nehmen, wie man auch wirklich isst, damit es für alle reicht.
Nach dem Kreis werden die Kinder auf die Lehrer aufgeteilt, immer ein oder zwei Kinder pro Volontär und jedes Kind wird nach seinen besonderen Bedürfnissen betreut und beschäftigt. Manche Kinder können sich zum Beispiel gut ausdrücken, indem sie malen, andere wollen einfach nur reden und wieder andere wollen Bücher vorgelesen bekommen. Diese Zeit hat mir immer sehr gut gefallen, weil ich mit zwei Mädchen alleine war und so viel über sie und ihr Leben erfahren konnte.
An diesen neuen Ablauf habe ich mich jedoch schnell gewöhnt, auch die Kinder hatte ich nach dem ersten Tag schon in mein Herz geschlossen und spätestens nach zwei Tagen war von meiner anfänglichen Enttäuschung nichts mehr zu spüren und ich freute mich wieder wie zuvor jeden Tag aufs Neue auf die Schule. Ich bin froh, auch diese Erfahrungen machen zu dürfen und bin mir sicher, dass ich auch hier viel lernen werde.
Die nächste Herausforderung war für mich das Thema der Woche. Da am Montag, den 26. der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen gefeiert wird, war das diese Woche unser Thema. Mit der Psychologin Astrid redeten wir im Kreis viel über Gewalt und wie sie die Kinder in ihrem Alltag erfahren. Diese Gespräche waren für mich sehr schockierend. Fast jedes Kind berichtete von seinen Erfahrungen mit Gewalt und ich will gar nicht wissen, wie viel sie uns verschwiegen haben. Für sie ist es ganz normal, dass sie von ihrem Onkel, Vater oder Lehrer geschlagen werden, die Mutter vom Vater kochendes Wasser ins Gesicht geschüttet bekommt und dass sowohl ihre Eltern, als auch der Schuldirektor behaupten sie würden lügen, wenn sie ihnen davon erzählen. Was mich besonders erschrak ist, dass sie darüber reden als wäre es nichts Besonderes und als würde es halt zum Alltag dazu gehören. Wir versuchten ihnen zu vermitteln, dass sie darüber reden müssen und es älteren Personen, den Lehrern oder uns erzählen sollen, doch sie haben keine Hoffnung, dass irgendetwas geändert werden kann und auch ich fühle mich machtlos. In der Schule sind die Kinder fröhlich, wir spielen zusammen und man merkt ihnen nichts an, doch nun weiß ich, dass jeden Mittag oder Abend wenn sie heimkommen, die gleiche Hölle auf sie wartet und sie jeden Tag da durch müssen, um am nächsten Tag wieder bestens gelaunt in die Schule zu kommen. Ich würde ihnen so gerne irgendwie helfen, an ihrer Situation etwas zu ändern, doch sie haben gar nicht den Wunsch, etwas zu verbessern, weil sie so aufwachsen und gar nicht auf die Idee kommen, dass es eigentlich anders sein sollte. Diese Tatsache ließ mich diese Woche verzweifeln.


Stolz präsentieren die Kinder ihre selbstgestalteten Plakate bei der
Demonstration an der Plaza San Franciso. Foto: Lara Leibold

Neben den Gesprächen im Kreis bearbeiteten wir das Thema, indem wir in der letzten Stunde alle zusammen Plakate für eine Demonstration, die am Montag stattfand, gestalteten. Die Kinder hatten viel Spaß am Malen. Am Montag machten wir uns dann gegen neun Uhr mit den Kindern auf den Weg. Dies war ziemlich schwierig, weil viele nicht mitgehen wollten. Die Meisten konnten wir überreden, doch als zwei Jungs sich immer noch weigerten, riefen wir schließlich ihre Mutter an, dass wir sie heimschicken. Auch auf der Straße hatten wir Probleme damit, alle Kinder zusammen zu halten. Es waren zu viele, um jedes an eine Hand zu nehmen und ein paar rannten immer weg und liefen auf die Straße. Letztendlich kamen wir aber doch gut an der „Plaza San Francisco“ an, wo wir Bilder mit unseren Plakaten machten, bevor wir uns wieder auf den Weg zurück in die Schule machten. Auf der Straße ernteten wir viele respektvolle Blicke der Passanten. Auch ich fand das eine tolle Aktion, da man den Kindern schon früh zeigen muss, was ihre Rechte sind und wie sie diese verteidigen können. Am Nachmittag wiederholten wir das Ganze noch einmal mit den anderen Kindern.


Die Kinder des "turno de la tarde" bei ihrer Demonstration vor der
Kathedrale von Cusco. Foto: Lara Leibold

Auch wir Volontäre engagierten uns diese Woche für die Rechte der Frauen. Gino bat uns, am Samstag mit ihm zu einer Demonstration von Amnesty International, die er organisiert hatte, zu gehen. Zu fünft machten wir uns dann mit Plakaten bepackt auf zum Treffpunkt. Als wir dort ankamen, war außer uns noch niemand da und wir hatten etwas Angst, dass wir zu fünft marschieren würden müssen. Doch nach und nach kamen immer mehr Leute zusammen. Ich fand es schön zu sehen, dass es doch Menschen gibt, die sich auch hier für ihre Rechte einsetzen. Mein Highlight waren drei Männer, die mit rosa Schürzen bekleidet waren, auf denen „Männer für die Gleichberechtigung“ stand. Auf der Straße wurden wir dann von manchen Frauen bejubelt, andere lasen nachdenklich unsere Plakate, wieder andere wurden von ihren Männern weggezogen und die meisten Männer schauten uns etwas sauer an. Dennoch gab es auch welche, die sich uns anschlossen. Das freute mich, denn das zeigt, dass auch manche von ihnen bereit sind, an ihrem System etwas zu ändern. Ich hoffe, dass sich die Frauen hier immer mehr ihrer Rechte bewusst werden und die Bildungseinrichtungen es schaffen, die Menschen von der Gleichberechtigung zu überzeugen, denn die Geschichten, die ich diese Woche gehört habe, sind einfach nur schrecklich.


Die Volontäre von Aldea Yanapay beteiligten sich an einer Aktion von Amnesty
International anlässlich des internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen.
Foto: Passant

Natürlich ging es auch in der Show am Freitagmittag um dieses Thema. Davor erlebte ich aber noch eine Überraschung. Ich machte mich gegen 17 Uhr auf vom Hostel zur Schule und als ich den Hof betrat hörte ich den Ausruf „Profe Lara!“ und viele der Kinder kamen auf mich zugerannt und umarmten mich. Das berührte mich sehr, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass die Kinder mich vermisst hatten und es kamen auch viele zu mir, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie meinen Namen kennen.
In der Show wurden dann hauptsächlich kurze Theaterszenen zum Thema vorgespielt, die am Ende eine Moral hatten. Die Showeinlage, die mir am meisten in Erinnerung blieb, war aber die Fragerunde der Initkilla, der ältesten Familie. Ein Wawacha und ein Kalpa traten dabei gegeneinander an. Die erste Frage war „Sind Männer und Frauen gleichberechtigt?“ und ohne die Antwortmöglichkeiten abzuwarten, meldete sich der kleine Kalpa mit „Natürlich nicht!“. Dies sorgte zwar für einige Lacher, doch eigentlich ist es traurig, dass die Jungs schon in einem Alter von sieben Jahren fest davon überzeugt sind, dass sie etwas Besseres als die Mädchen seien. Ich hoffe, dass wir die Sichtweise der Kinder in dieser Woche trotzdem etwas ändern konnten und sie vielleicht sogar ihre Eltern etwas bekehren können, diese alten Rollenvorstellungen zu überdenken.
Neben der Schule hat mir diese Woche die Meditation am Freitag großen Spaß gemacht. Yuri hat diese geleitet und uns angewiesen, ein Seil im Kreis herum zu werfen, sodass ein Mandala entsteht. Dabei mussten wir verschiedene Sachen über uns erzählen. Am Ende durfte, wer wollte, sich auf das Spinnennetz in unserer Mitte legen. Diese Übungen gefallen mir sehr gut, da sie zeigen, dass wir ein tolles Team sind und uns nach kürzester Zeit schon so gut vertrauen können. Unter den Volontären, die gerade da sind, habe ich wieder tolle Freunde gefunden und einige von ihnen bleiben längere Zeit, sodass wir die Weihnachtsferien zusammen verbringen können. Ich freue mich, dass ich die Feiertage zusammen mit so vielen tollen Menschen verbringen kann und auch meine Familie bald dazu stößt.
Anmerkung von Klaus Flad: 
Danke, liebe Lara, für den wieder sehr bewegenden und emotionalen Bericht. Danke für deine Offenheit und die gute Arbeit.


Böttingen, 23.11.2019
Geschrieben von Klaus Flad
Pia Maier ist neue stellvertretende Vereinsvorsitzende

Am gestrigen Freitag, 22. November 2019 fand im Landgasthof Waldeck in Dürbheim, Ortsteil Risiberg, unsere elfte Jahreshauptversammlung statt. Bei den Wahlen ergaben sich folgende Veränderungen: 
Zweiter Vorsitzender Christian Barthel stand aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Wahl. Zu seiner Nachfolgerin wurde Pia Maier gewählt. Nachdem das Amt des Schriftführers für die Dauer eines Jahres nicht besetzt war, konnte mit unserem neuen Vereinsmitglied Tabea Zepf eine Nachfolgerin gefunden werden. Tabea hat sich bei uns übrigens für einen Freiwilligendienst im Jahr 2020 beworben. Zur Nachfolgerin von Beisitzerin Lucy Peña Riester wurde Paz Pesantez gewählt. Neu in den Reihen der Beisitzer ist nun außerdem Tim Tegtmeyer. In ihren Ämtern bestätigt wurden die Beisitzerinnen Aurora Ibañez und Martina Gröne sowie Kassenprüfer Jürgen Kapp. Zusammen mit den 2018 für zwei Jahre gewählten Funktionären setzt sich die Vorstandschaft nun wie folgt zusammen (neue Funktionäre in Fettdruck):
Erster Vorsitzender: Klaus Flad, Zweite Vorsitzende: Pia Maier, Kassierer: Karl-Heinz Albrecht, Schriftführerin: Tabea Zepf, Beisitzer(innen): Aurora Ibañez, Martina Gröne, Paz Pesantez, Tim Tegtmeyer, Marius Schuler, Julian Freisinger, Rebecca Thieringer, Rainer Eschbach, Willy W. Alarcon Barrientos sowie den beiden Kassenprüfern Ewald Kaufmann und Jürgen Kapp.
Ausgeschieden aus dem Vorstand sind:
Der bisherige zweite Vorsitzende Christian Barthel und die bisherige Beisitzerin Lucy Peña Riester. Ich danke allen, die die sich bereit erklärt haben, erstmals als Funktionär bei uns im Vorstand mitzumachen. Ebenso danke ich denjenigen, die sich erneut für ihr Amt zur Verfügung stellten. Ein herzliches Dankeschön gilt auch Christian für seine jahrelange Treue und aktive Mitarbeit im Vorstand und bei allen anderen Aktivitäten. Ebenso danke ich Lucy für ihre zweijährige Tätigkeit als Beisitzerin.

Bei der Jahreshauptversammlung ergaben sich Veränderungen im Vorstand. Das Foto zeigt
zudem ehemalige Volontäre La Balanzas: Hinten von links: Marius Schuler (Volontär 2014,
seither Vorstandsmitglied), Tim Tegtmeyer (Volontär 2018/19, ab sofort neues Vorstands-
mitglied), Rebecca Thieringer (Volontärin 2018 seither Vorstandsmitglied), Lea Keller (Vo-
lontärin 2017), Aurora Ibañez (Vorstandsmitglied seit 2010, wiedergewählt), Julian Frei-
singer (Volontär 2017/18, seither Vorstandsmitglied), Martina Gröne (Vorstandsmitglied),
vorne von links: Tabea Zepf (neue Schriftführerin und Volontärsanwärterin für 2020),
Klaus Flad (erster Vorsitzender seit 2005), Pia Maier (Volontärin 2017/18 und ab
sofort zweite Vorsitzende). Nicht auf dem Bild: wiedergewählter Kassierer Karl-Heinz
Albrecht und neues Vorstandsmitglied Paz Pesantez).
Foto: Karl-Heinz Albrecht

Cusco, 17. November 2019
Geschrieben von Lara Leibold
Ich habe es noch keinen Moment bereut, diese Reise angetreten zu haben

Diese Schulwoche erlebte ich noch einmal besonders intensiv. Am Anfang der Woche erfuhr ich, dass ich ab der nächsten Woche morgens eingeteilt sein würde. Auf der einen Seite freue ich mich darauf, weil ich schon einige dieser Kinder kennenlernen durfte und ich von Erzählungen der anderen Volontäre erfahren habe, dass dort alles noch viel familiärer und vertrauter zugeht als am Mittag. Auf der anderen Seite bin ich aber auch traurig, dass ich die Kalpas und die anderen Kinder, die nachmittags in die Schule kommen, nicht mehr sehen werde und auch sie meinten, dass sie mich vermissen werden. Auch die Volontäre, die nicht in der Villa Mágica wohnen, werde ich nicht mehr so oft sehen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass ich den „turno de la tarde“ regelmäßig besuchen werde, um alle wiederzusehen. Natürlich freue ich mich auch auf die neuen Erfahrungen, die ich morgens machen werde.
Diese Woche war das Thema der Woche, wie Koordinatorin Oihane sagte „kompliziert aber auch einfach“. Wir behandelten verschiedene Themen, wie Kindheit, Träume, Gewalt und Liebe, die wir auf die Familien abstimmten. Die jüngeren Kinder bekamen das Thema Kindheit, die etwas Älteren, deren Aggressivität uns die letzte Zeit immer wieder beschäftigt, redeten über Gewalt und die Ältesten, bei denen die Gefühle gerade verrückt spielen, behandelten das Thema Liebe. Zu diesen Thema sollten wir uns ausdrücken, indem wir zeichneten. Zuerst habe ich mich gefreut, weil die Kalpas immer nur zeichnen wollen und diese Aufgabe daher eigentlich perfekt für sie war, doch nun waren sie auf einmal überhaupt nicht mehr daran interessiert, zu malen und am Donnerstag hatte wir noch vier leere Blätter auf dem Tisch liegen. Stattdessen hatten sie mehr Spaß daran, verstecken zu spielen oder sich mit weißer Farbe Handschuhe zuzulegen. Mir wurde so langsam bewusst, dass es für sie schwer ist, über Kindheit und was „Kindsein“ bedeutet zu reden, weil viele von ihnen kaum die Freiheit haben, ihre Kindheit richtig auszuleben.


Links: Flor, Makeila und Maricio (von links) zeichnen Bilder über ihre Kindheit und ihre
Rechte als Kinder. Rechts: Makeila und Almendra (von links) mit ihren "Handschuhen"
aus Deckweiß. Fotos: Lara Leibold

 
Sowohl im Kreis mit allen zusammen, als auch in der Familie erzählten sie immer wieder, dass es die Aufgabe eines Kindes ist, zu lernen, gute Noten zu liefern, den Haushalt zu schmeißen, Kochen zu lernen, auf ihre kleinen Geschwister aufzupassen und den Eltern bei ihrer Arbeit zu helfen. Diese Aufgaben gehören für mich natürlich auch dazu, jedoch eher nebenher. Für Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren steht für mich ganz klar Spaß haben und Spielen im Vordergrund. Wie soll ein Kind erwachsen werden, wenn es gar keine Kindheit hatte? Ich verstehe auch, dass viele Eltern wahrscheinlich auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen sind, doch ich finde es traurig, dass ihnen hier das Recht, Kind zu sein, weggenommen wird. Die andere Volontärin und ich haben immer wieder versucht, ihnen klarzumachen, dass sie auch das Recht auf Freizeit und zu spielen haben, doch wir stießen immer auf Unverständnis. Diese Tatsache hat mich diese Woche sehr beschäftigt.
Jetzt verstehe ich umso mehr, warum die Kinder in der Aldea am Liebsten die ganze Zeit Fangen spielen würden und es macht mich noch glücklicher, zu sehen wenn sie Spaß haben. Nur Mauricio bracht uns mit seinen Träumen mal wieder zum Schmunzeln. Für ihn war das Wichtigste, dass jedes Kind das Recht hat, in einem Heißluftballon zu fliegen und er malte seitenweise die verschiedensten Ballons. Seine Kreativität bringt mich immer wieder zum Staunen. So langsam bekomme ich immer mehr ein Verständnis, was es bedeutet, hier zu leben, wie Kultur, Erziehung, Alltag und die Politik hier zusammenhängen und es erschließen sich mir immer neue Tatsachen.
In der Show am Freitag war ich dann beeindruckt, wie die Kalpas, obwohl sie die ganze Woche nicht so produktiv waren, über das Thema redeten und letztendlich doch etwas aufs Papier gebracht haben. Ein Mädchen hat zum Beispiel drei Blumen gemalt und erzählte, dass diese ihre Familie darstellen und ihr Bild bedeutet, dass sie in ihrer Familie, wie eine Blume wachsen und aufblühen kann. Von einer Siebenjährigen hätte ich so etwas nie erwartet. Auch von den Ältesten, die über die Liebe erzählten war ich überrascht, weil sie mit zwölf oder dreizehn Jahren schon ein genaues Bild davon haben, was Liebe ist und auch einfach so mit ihren Mitschülern darüber reden. In diesem Alter war es mir und meinen Klassenkameraden peinlich, über dieses Thema zu sprechen.
Außerhalb der Schule war diese Woche, wie immer, wieder viel los. Es reisten viele neue Volontäre an und ich wurde beauftragt, ihnen alles zu erklären und ihnen die Stadt zu zeigen. Nach Gino, der nun fast ein ganzes Jahr hier ist und zwei Spanierinnen, die ihr dreimonatiges Volontariat bald beenden, bin ich jetzt nämlich am längsten hier. Wir waren wieder viel unterwegs und unternahmen mehrere kleine Ausflüge und es wurde nie langweilig. Am Samstag zeigte ich ihnen zum Beispiel das „baratillo“, ein Viertel in Cusco, in dem Samstag viele Verkäufer ihre Artikel zu billigen Preisen anbieten.

  
Rechts: Die Volontäre von Aldea Yanapay haben viel Spaß beim Quiz. Foto Joao
Links: Christina, Lara, Joao, María und Lolita (von links) auf dem Weg zum "baratillo".
Selfie: Joao

Allerdings fühlte ich mich immer wieder schlecht und war ziemlich traurig, doch die Anderen kümmerten sich um mich und erkundigten sich immer wieder nach meinem Wohlbefinden. Außerdem verstehen sie es, mich immer abzulenken, sei es durch stundenlange Gespräche über Musik oder gemeinsame Aktivitäten, wie dem Quiz und anschließendem Ausgehen am Mittwoch, sodass ich meine Sorgen immer schnell vergesse. Ich hätte nie gedacht, dass Menschen, die man seit einem Monat oder sogar nur einer Woche kennt, so schnell zur Familie werden können. Es macht mich traurig, dass die meisten nur zwei Wochen hier bleiben und ich mich immer wieder verabschieden muss. Jedoch kommen immer wieder neue Leute, die auch innerhalb von ein paar Tagen zu besten Freunden werden und ich hoffe, dass das auch so weiter geht, denn durch diese Familie fühle ich mich hier auch wie zuhause und habe kaum Heimweh. Dennoch fiebere ich auch diese Woche wieder meinem Besuch aus Deutschland entgegen. Unter anderem, weil ich mich so darauf freue, ihnen diese tolle Stadt zeigen zu dürfen und mit ihnen zu teilen, was ich hier jede Woche erleben darf. Ich bin meinen Eltern und La Balanza unendlich dankbar, dass sie mir diese Erfahrungen ermöglichen. Ich habe es noch keinen Moment bereut, diese Reise angetreten zu haben und kann mir gar nicht vorstellen, jetzt in Deutschland zu sein und zu studieren, ohne alles, was ich hier in dieser kurzen Zeit schon gelernt habe.
Anmerkung von Klaus Flad: 
Wow, Lara, vielen Dank für die Offenheit. Man liest wieder einmal zwischen den Zeilen deine Begeisterung, aber mehr noch: Wie dich das, was du alles schon gelernt hast, schon geprägt hat. Danke und bis bald.


Cusco, 10. November 2019
Geschrieben von Lara Leibold
Die Kinder reden offen über verstorbene Verwandte / Ich freue mich auf Besuch aus der Heimat

Jetzt ist schon ein Monat vorbei. Es fühlt sich irgendwie unrealistisch an, nun schon so lang von Zuhause weg zu sein. Und noch unrealistischer fühlt es sich an, noch fünf weitere Monate weg zu sein. Ein halbes Jahr hört sich an wie eine Ewigkeit, aber an diesem Ort scheint die Zeit schneller zu vergehen als in Deutschland. Wenn ich darüber nachdenke, wie viele Menschen ich jetzt schon kennengelernt und wie viele tolle Erlebnisse ich hatte, bin ich so glücklich, dass ich den Schritt aus Deutschland und Europa heraus gewagt habe, denn dort hätte ich diese Erfahrungen nicht machen können. Auch wenn ich meine Familie, Freunde und meinen Freund schrecklich vermisse, überwiegt meistens die Freude über das, was ich hier erlebe. Und spätestens wenn ich durch das Tor der Aldea Yanapay gehe und mir die ersten Kinder in die Arme springen sind alle Zweifel und das Heimweh vergessen. Diese Woche bin ich ihnen wieder so dankbar, dass wir so viel zusammen lernen dürfen.
Die Aufgabe war, einen Altar zu gestalten, wie es die Mexikaner am „Día de los Muertos“ ("Tag der Toten", bei uns Allerheiligen) machen. Außerdem haben wir viel über dieses Thema geredet. In Mexiko und anderen Ländern Zentral- und Südamerikas glauben die Menschen, dass sich am 31. Oktober um Mitternacht bis zum 1. November ein Portal öffnet, durch das die Toten auf die Erde zurückkehren können. Allerdings nur die, deren Angehörige an sie denken. Deshalb werden am 1. November in den Städten und auf den Friedhöfen die Toten mit Musik, gutem Essen, Trinken und Blumen, die man ihnen ans Grab bringt, verehrt. Unsere Aufgabe war also, einen Altar für unsere toten Angehörigen zu gestalten. Zuerst war ich etwas skeptisch, weil ich dachte es würde ziemlich schwer werden, mit den Kindern über den Tod und ihre toten Familienmitglieder zu reden. Jedoch waren sie erstaunlich offen und wollten unbedingt etwas über ihre Verstorbenen erzählen. Außerdem bastelten sie eifrig Blumen, Kerzen und Karten um den Altar zu gestalten. Am Freitag gingen dann alle Familien durch die Räume, um die anderen Altare anzuschauen und ihren eigenen vorzustellen. Ich fand es sehr interessant, zu sehen, welche verschiedenen Vorstellungen die Kinder über den Tod und ihre toten Angehörigen haben. Deshalb hat mir diese Woche sehr gut gefallen. Auch im Spieleworkshop hatte ich wieder tolle Momente. Die Kinder waren sehr ruhig und wollten nun auch neue Spiele kennenlernen, was mich besonders gefreut hat.


Der Alter der Familie Kalpa. Foto: Lara Leibold

Außerdem sind diese Woche wieder einige neue Volontäre angereist, mit denen ich mich sehr gut verstehe und wir haben sehr viel zusammen gemacht. Am Wochenende haben wir z. B eine Ausflug in das Heilige Tal gemacht. Dort haben wir Pisac, Ollantaytambo, Urubamba und Chinchero besucht.


Die Terrassen von Pisac. Foto: Lara Leibold


Die Ruinen von Chinchero. Foto: Lara Leibold


Elena, Lara, Ainhoa, María, Sofia und Paulette (von links) in den Ruinen von
Ollantaytambo. Selfie: Elena

Die Inka-Ruinen dort haben mich sehr beeindruckt. Zum einen natürlich wegen ihrer Schönheit, zum anderen aber auch aufgrund der vielen Legenden und Rätsel rund um den Bau und die Funktionen der verschiedenen Bauwerke. Für mich ist es unvorstellbar, wie damals so große Steine transportiert und Konstruktionen gebaut wurden, so ganz ohne Maschinen. Auch die wissenschaftlichen Errungenschaften, die die Konstruktionen beweisen, haben mich sehr beeindruckt. Heute, am Sonntag blicke ich wieder auf eine ereignisreiche Woche zurück, in der ich viel gelernt hab und freue mich auf mehr. Auch der Besuch von Klaus und meiner Familie rückt immer näher und ich freue mich auf die Gesellschaft aus der Heimat.

Cusco, 3. November 2019
Geschrieben von Lara Leibold
Bei der Halloween-Feier sangen und tanzten Volontäre und Kinder zusammen
Diese Woche waren die Kinder aufgeregt und kaum ruhig zu kriegen, weil Halloween anstand. Alles drehte sich darum, als was sie sich verkleiden und wie sie das Fest feiern würden. Doch die Lehrerin Astrid erklärte uns, dass der 31. Oktober auch Tag der kreolischen Musik ist und sowohl die Kinder, als auch alle Volontäre lernten etwas Neues über diese Musikrichtung.
Die Aufgabe dieser Woche war, den Raum für Halloween zu dekorieren. Dafür musste ich den Kalpas nicht viele Anweisungen geben, denn sie malten sofort fleißig drauf los. In der Familie lief diese Woche wieder alles harmonisch ab und alle arbeiteten gut zusammen, wohingegen es im Spieleworkshop etwas anstrengender war. Wir waren nur neun Volontäre insgesamt, wodurch wir nur zu zweit im Workshop waren. Komischerweise entschieden sich gerade diese Woche jeden Tag viele Kinder, spielen zu wollen. Es war schwierig, den Überblick zu behalten und andauernd entwischte jemand aus dem Klassenzimmer, während andere sich stritten oder einfach wild durch den Raum rannten. Außerdem wurden sämtliche Figuren inszeniert, die gegeneinander kämpften.
Allerdings waren auch viele Kinder wieder herzlich und liebevoll und munterten mich immer wieder auf, wenn ich gerade daran war, die Geduld zu verlieren. Wenn ich auf die Woche zurück blicke, fallen mir diese Momente als erstes ein und ich freue mich schon wieder, die Kleinen am Montag endlich wieder sehen zu dürfen.
An Halloween gingen dann alle Volontäre zusammen zum „turno de la mañana“, also dem Unterricht morgens, weil wir mit den Kindern zur „Plaza de San Pedro“ laufen wollten, wo die Studenten der Kunsthochschule ihre Gesichter schminkten. Für mich war es eine tolle Erfahrung auch diese Kinder einmal kennenzulernen und es erwärmte mir das Herz zu sehen, wie begeistert sie sich verkleideten und schminken ließen. Mittags verkleideten wir uns dann selbst und gingen so zur Schule, worüber sich die Schüler riesig freuten.


Die Volontäre von Aldea Yanapay im Halloween-Fieber.
Foto: Edgar Chahuayo Pisaña

 
Auch viele unserer Kinder waren verkleidet, jedoch nicht alle, weil es sich nicht jede Familie leisten kann. Das machte mich sehr traurig, doch wir munterten sie auf, indem sie sich in der Aldea ihre Kostüme aussuchen durften und wir sie schminkten. An diesem Tag hatte ich auch das erste Mal das Gefühl, dass einer der älteren Jungs mich respektierte. Während er mich sonst immer mehr oder weniger ignoriert, mir nicht zugehört und nur mit einem kurz angebundenen „Uno, profe“ das Uno-Spiel gefordert hatte, begrüßte er mich am Donnerstag freiwillig, fragte mich höflich nach den Spielen und winkte mir immer wieder zu. Ich glaube er fand mein Gesicht cool, das eine der anderen Volontäre kunstvoll geschminkt hatte. Ich hoffe, dass das nun ein Schritt der Annäherung war und wir uns in Zukunft besser verstehen werden.


Makeila (rechts) stellt stolz ihr Halloween-Kostüm zur Schau.
Foto: Volontärin Emily

 
Nach einer Stunde Workshop und einer Stunde in den Familien, stieg dann eine große Halloweenparty. Kinder und Volontäre sangen und tanzten zusammen, während immer wieder kleinere Gruppen das „Horrorhaus“ von Gino und seiner Theatergruppe bestreiten durften. Mich beeindruckt immer wieder, wie Gino es schafft mit seiner Gruppe etwas auf die Beine zu stellen und dies perfekt durchzuführen. Während wir durch verschiedene Räume gingen, in denen wir Aufgaben erledigen mussten und die Kinder gruselige Szenen spielten, war ich froh, dass sich ein Mädchen ängstlich an mich kuschelte, da auch mir nicht so wohl zumute war und ich etwas Halt gebrauchen konnte. Nach der Halloweenparty spielten wir im Hostel ein paar Spiele, bevor auch wir auf eine Party gingen.


Sofia, Gino und Lara (von links) genießen die Sonne bei einem Spaziergang
durch Cuscos Zentrum. Selfie: Sofia


 Sofia (links) und Lara vor der wunderschönen Plaza de San Blas mit Blick 
auf die Stadt Cusco. Foto: Touristin

Das lange Wochenende nutzten wir dann aus, waren viel in der Stadt unterwegs, weil es für drei Volontäre die letzten Tage waren und auch neue Volontäre ankamen, gingen aus und machten Ausflüge. Wieder einmal merkte ich, dass ich hier tolle Freunde gefunden habe. Wir haben immer viel Spaß und sind inzwischen eine vertraute Runde in der wir über alles reden.

Anmerkung von Klaus Flad:
Vielen Dank liebe Lara. Deine Begeisterung steckt an und steigert meine Vorfreude.


 
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