La Balanza e.V. Böttingen
  Februar 2018
 
Cusco, 6. Februar 2018
Geschrieben von Pia Maier
Unterschiedliche Länder - unterschiedliche Realitäten

In der Woche vom 29. Januar bis 5. Februar gibt es von der Schule nur wenig Neues oder Interessantes zu berichten. Viele der Volontäre waren krank oder zumindest angeschlagen, Julian Emilly und Ich eingeschlossen. Deshalb unternahmen wir auch außerhalb der Schule so gut wie nichts.

In meiner Familie „Pachamama“ kamen einige neue Kinder dazu, sodass nun auch drei Kinder mit Behinderung dabei sind. Da wir nur zwei Lehrer für unsere Familie sind und zudem zwei intelligente Brüder in der Gruppe haben, die viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist es fast unmöglich die drei Kinder mit Behinderung einzubinden. Die meiste Zeit der Familie sitzen sie still auf ihrem Stuhl und langweilen sich vermutlich, was mir sehr leid tut. Ich hoffe, dass ich noch einen Weg finde, sie besser einzubinden oder dass zumindest mehr Lehrer für „Pachamama“ eingeteilt werden, damit auch sie genügend Aufmerksamkeit bekommen. Insgesamt sind wir um die zehn Kinder in der Familie „Pachamama“.
Darüber hinaus war dies eine Woche der schweren Abschiede. Neben einem Kind aus Pachamama, dass mir sehr ans Herz gewachsen ist, verabschiedeten sich am Freitag auch noch Jon und Raul und vier weitere Volontäre, mit denen wir uns gut verstanden hatten. Jon und Raul kommen beide aus Spanien und waren schon hier als wir ankamen. Dadurch, dass wir mit ihnen auch Weihnachten und Silvester verbrachten, wurden sie ein fester Bestandteil unserer „peruanischen Familie“. Es ist ein sehr seltsames Gefühl sie gehen zu sehen, vor allem weil es mit den „neuen“ Volontären schwieriger ist, eine solche Verbindung aufzubauen.
Die ganzen Abschiede wurden jedoch zumindest für mich von einem Ereignis überschattet. Und zwar die Ankunft meiner Eltern und Klaus in Cusco. Am Sonntag um zirca 11:30 kamen sie in Cusco an und nachdem wir das Gepäck in das Haus von Alexis brachten, gingen wir "pollo a la braza" (knusprig gegrillte Hähnchen) essen und schauten uns ein bisschen die Stadt an. Für Emilly, Julian und mich gab es zudem viele Kleinigkeiten wie deutsche Schokolade oder Briefe von Familie und Freunden. Vor allem werden wir uns über eine heimische Maultaschensuppe freuen. Die Kinder in der Schule können sich über ein paar Spenden freuen, die meine Eltern mitgebracht haben.
An dieser Stelle möchte ich von allgemeinen Eindrücken in Cusco berichten, die ich seit den zwei Monaten gemacht habe.
Cusco ist eine schöne Stadt, solange man sich im historischen Zentrum aufhält. Hier sind die Straßen gepflastert und die Häuser mit schönen Holzbalkonen ausgestattet. Doch gibt es auch hier schon Fassaden, die bröckeln und den Lehm darunter sichtbar werden lassen, mit dem die meisten Häuser hier gebaut werden. Ein paar Straßen weiter von unserem Hostel hört das historische Viertel auch schon auf und das Stadtbild wandelt sich. Die Straßen sind geteert und die Häuser aus Ziegeln gebaut. Jedes zweite Haus sieht unfertig aus, weil es entweder keine Fassade hat oder der komplette obere Stock eine Bauruine ist.
Doch nicht nur die Häuser machen einen armen Eindruck. Es kam schon oft vor, dass ich tagsüber einem, auf dem Gehweg schlafenden Betrunkenem ausweichen musste. Die vielen Gesichter der Bettler auf dem fünfminütigem Weg zur Plaza de Armas kommen mir inzwischen bekannt vor. Doch nicht nur Bettler und Betrunkene tragen zum Stadtbild bei, sondern auch die vielen Frauen und Männer, die mit ihren Schubkarren oder kleinen Verkaufswägen Tag für Tag in den Straßen ihre Waren verkaufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele dieser Menschen nicht mehr als ihre Waren und ihren Verkaufsstand besitzen, keine Wohnung, kein Dach über dem Kopf. Vor allem Nachts trifft man immer wieder auf Gestalten, die in Türrahmen sitzen und inmitten von Schals und Mützen, die sie für Touristen zum Kauf anbieten, versuchen zu schlafen.
Doch es sind nicht die einzigen Wesen, die jede Nacht und jeden Tag ums Überleben kämpfen. Wenn wir Nachts zusammen heimlaufen haben wir sehr oft Begleiter, die wegen Hoffnung auf Essen bis zu unserer Haustür nicht von uns ablassen. Es sind die unzähligen Straßenhunde Cuscos von denen ich mir vermutlich schon Flöhe geholt habe. Tagsüber liegen sie in den Häuserecken oder auch mitten auf einem Platz und schlafen. Nachts sind sie aktiver und streunen herum, immer auf der Suche nach etwas Essbarem. Für mich sind sie schon ein fester Bestandteil von Cusco, genauso wie die vielen Straßenverkäufer und die Taxifahrer.
Für letztere ist das Leben auch kein Zuckerschlecken. Oftmals sind es junge Männer, die gerade den Führerschein haben, sich ein Auto mieten und durch das Taxifahren versuchen, die Miete wieder reinzubekommen und darüber hinaus etwas zu verdienen. Mit den unglaublich billigen Fahrpreisen hier ist das jedoch keine leichte Aufgabe. Und so kommt es, dass viele den ganzen Tag über fahren und nachts gar nicht erst nach Hause gehen, sondern die Nacht im Auto am Straßenrand überbrücken, um am nächsten morgen gleich weiterzufahren.
Würde man an einem Tag jeden Straßenverkäufer und Bettler nach seiner Geschichte und seinem Leben fragen, so hätte man am Ende des Tages genug Material, um ein sehr umfangreiches Buch darüber zu schreiben. Es gibt unzählige traurige Schicksale hier und dennoch würde ich nicht behaupten, dass die Menschen hier unglücklicher sind als die in Deutschland. Und genau das fasziniert mich an Cusco. Das Lächeln eines Sängers auf der Straße, der keine Beine mehr hat und im Rollstuhl sitzt. Ich habe ihm auch ein Lächeln geschenkt und an all die armen Menschen gedacht, die Geld und Beine haben, aber nicht mal ein Lächeln für einen Fremden.
Anmerkung von Klaus Flad:  
Liebe Pia, ich danke dir für den einfühlsamen und nachdenklichen Bericht. Möge auch der ein oder andere deutsche Protestwähler darüber nachdenken.

Cusco, 3. Februar 2018
Geschrieben von Julian Freisinger

Die Kinder ruhig zu halten ist nicht immer einfach
Diese Woche verlief im Großen und Ganzen wie jede andere bisherige Schulwoche.
Nach meiner Rückkehr aus Bolivien ging es am Montag normal mit dem Unterricht weiter. Das einzige „Besondere“ war, dass dies die letzte Woche sein würde, in der der Unterricht am Nachmittag stattfindet.
Von Montag bis Donnerstag wurde in den „Familien“ gearbeitet und am Freitag war es dann wieder soweit, die Show stand bevor. Es ist schon eine etwas andere Perspektive, wenn man selber nicht mehr an der Show teilnimmt, sondern sie leitet. Jetzt geht es darum, die Kinder während den Präsentationen ruhig zu halten, was sich aufgrund der Nervosität der Großen und Kleinen nicht immer so einfach gestaltet. Nichtsdestotrotz haben alle ihre Vorstellungen gut über die Bühne gebracht.
Ein Tag zuvor stand das allwöchentliche Quiz auf dem Plan, das, so wie immer, sehr amüsant war. So ging der Inhalt von einem Improvisationstheater eines Pokemonkampfes bis hin zum Vortragen eines Raps.
Den Samstag nutzten wir für einen kurzen Besuch im Krankenhaus. Dieser war aber nicht gerade einfach für mich, denn erst einen Tag davor erfuhr ich, dass es nicht gut stehen soll um den kleinen Harry. Ihm wurde ein Katheter in Richtung des Herzens gelegt, von welchem sich ein kleines Plastikteil gelöst hatte und durch die Venen auf Bauchhöhe gewandert ist. Es gibt nun drei Optionen, was als Nächstes passiert: Die erste Option wäre, dass das Plastikteil sich in diesem Teil seines Körpers festsetzt und keine weiteren Probleme mehr bereitet. So würde der kleine noch am Glimpflichsten davon kommen. Die zweite Option wäre eine Operation, bei der aber das Risiko, dass sie nicht erfolgreich verläuft, bei 90 Prozent liegt. Die dritte und hoffentlich unwahrscheinlichste Option ist, dass sie das Stück Plastik wieder in Richtung seines Herzens bewegt und somit sein Leben beendet.
Als ich das hörte, stand ich erst einmal unter Schock und wusste nicht, ob ich überhaupt noch an diesem Wochenende ins Krankenhaus gehen will, schließlich könnten die anderen Kinder in der Klink ja ähnlich geschockt sein wie ich und Harry könnte auf der Intensivstation liegen. Schlussendlich entschied ich mich aber doch dafür, die Kinder zu besuchen, denn man kann nie wissen, ob das nicht vielleicht meine letzte Möglichkeit wäre, den Kleinen zu sehen.
Im Krankenhaus angekommen wurde ich ziemlich überrascht, denn die Kinder verhielten sich so, wie sonst auch immer. Das war auch mein erster Besuch nach dem Tod von Raúl und nicht mal das schien die Kinder noch zu beeinflussen. Sie sind sich schon darüber bewusst, was passiert ist und wissen auch, was zurzeit mit Harry los ist, aber davon lassen sie sich nicht die Lust am Leben nehmen. Ich habe wirklich sehr viel Respekt vor diesen Kindern, denn so souverän mit solchen einschneidenden Erlebnissen und mit solch einer schweren Krankheit umzugehen, schaffen nicht einmal viele Erwachsene.

Die Kinder der Krebsklinik am Esstisch versammelt.
Foto: Julian Freisinger

Als zweites überraschte es mich, in der Klinik den kleinen Harry anzutreffen, der so energiegeladen wie immer durch die Gegend hüpfte. Eine Krankenschwester erzählte mir, dass er sich selber gar nicht bewusst ist, was in seinem Körper passiert und auch keine Schmerzen bezüglich des Plastikteils empfindet. Das hat mich etwas beruhigt.


Harry und Julian lesen ein Buch, in welchem erklärt wird,
was Leukämie ist. Foto: anderer Volontär


Harry und Julian. Foto: anderer Volontär

 

Nach einer Weile Spielen mit den Kindern, was auch beinhaltet, dass ich Harry zirca 1000 Mal durch die Luft gewirbelt und deswegen keine Energie mehr in den Knochen hatte, ging es wieder zurück ins Hostel, wo wir den Abend ausklingen ließen.
Am Sonntag unternahmen wir einen kleinen Ausflug zum „Templo de la Luna“ und zum „Templo del Mono“, zu Deutsch der Tempel des Mondes und der Affentempel.
Beide Ruinenstätten liegen am Rand von Cusco und sind deshalb gut zu Fuß erreichbar: Der Marsch dorthin ist aber auch ein Stück weit anstrengend, da es die ganze Zeit bergauf geht und man auf einer Höhe von rund 3400 Metern bei hohen Temperaturen nicht immer so gut Luft bekommt.


Ein Teil des Templo de Mono (Affentempels). Foto: Julian Freisinger

Nach unserer kleinen Reise zu den Tempeln gingen wir zur Markthalle von San Blas, in der wir uns bei einem der vielen Stände einen frisch gepressten Saft bestellten. Zu meinem Lieblings-„Jugo“ hat sich der Maracuja-Mango-Orangen-Saft entwickelt, der einfach nicht super schmeckt.
Die Tetrapack-Säfte aus dem Supermarkt in Deutschland sind mit diesen frisch gepressten einfach nicht vergleichbar.
Als wir wieder in Richtung des Hostels aufbrechen wollten, wurden wir von einem der typischen Starkregen überrascht, welche hier in Cusco während der zurzeit laufenden Regenzeit immer wieder vorkommen. Innerhalb von ein paar Minuten hat sich die Straße vor der Markthalle zu einem reißenden Bach entwickelt und wir waren froh, dass wir, als der Regenschauer begann, in dem Markthaus waren.
Als der Regen wieder etwas nachgelassen hatte, brachen wir auf zurück zur Villa Mágica, wo wir gemeinsam einen Film zum Ende der Woche anschauten.


 
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