La Balanza e.V. Böttingen
  September 2018
 
Cusco, 23. September 2018
Geschrieben von Ann-Kathrin Schmidt
Hoffentlich sehe ich die Volontäre, die sich schon verabschiedeten irgendwann wieder

Wieder einmal habe ich eine aufregende Woche hinter mir. Ich bin momentan ein wenig traurig, da an diesem Wochenende sehr viele Volontäre, mit denen ich mich angefreundet habe, wieder gegangen sind. Das ist der Nachteil daran, wenn man längere Zeit bleibt: Man lernt ständig neue Leute kennen, von denen man weiss, dass sie das Projekt in einigen Wochen schon wieder verlassen werden. Aber das muss man wohl einfach verdrängen und die Zeit genießen, die man hat, ohne sich zu viele Gedanken um die Zukunft zu machen. Und immerhin hat man irgendwann Freunde aus allen Ecken der Welt, die man mal besuchen kann!


Abschiedsfeier von Asier, Noelia, Elisabeth und Jesica. Foto: Ann-Kathrin Schmidt

Auch Asier, der andere Volontär in der Wayra-Familie, ist gegangen. Er hat mir in den letzten 2 Wochen enorm geholfen, aber jetzt ist es für mich Zeit, die Leitung und Verantwortung zu übernehmen. Ein bisschen gruselig; aber ich muss sagen, dass ich mich auch auf die Herausforderung freue. Ich kann nun viel aktiver mitgestalten, was wir in der Familie machen, Regeln aufstellen und Dynamiken ausprobieren. In den letzten drei Wochen in der Schule habe ich schon viel gelernt über die Kinder, die Methoden, und Möglichkeiten zur Beschäftigung. Zum Beispiel gibt es in meiner Familie zwei Mädchen, die extrem viel Aufmerksamkeit brauchen und kaum still sitzen bleiben können. Man muss sie ständig beschäftigen und ihnen einen Weg geben, die überschüssige Energie loszuwerden. Deshalb haben wir in der letzten Woche ein Parcours-Spiel und Reise nach Jerusalem eingeführt. Den Kindern macht es viel Spass, sich zu bewegen, zu tanzen und herumzualbern (und den Profes natürlich auch!)


Beim Start des Parcours. Foto: Ann-Kathrin Schmidt

Die Idee mit dem Parcours fanden die anderen Familien auch gut, deshalb haben wir uns spontan dazu entschieden, einen Riesen-Wettbewerb zu machen. Dazu haben wir zuerst die Kinder in Mannschaften eingeteilt (was ziemlich chaotisch war, aber letztendlich waren in jeder Gruppe ungefähr gleich viele Kinder).
Dann ging der Spaß los: alle Teilnehmer einer Mannschaft sind gleichzeitig gestartet, raus aus dem Wayra-Raum, auf die Schaukel, die Treppen zum Spielhaus hoch, die Rutsche wieder runter, vorbei an Hockern und unter Tischen hindurch, bis zum Ziel, wo sie noch mit einem Ball in eine Tonne werfen mussten. Die Kinder waren total aufgeregt, alle haben geschrien und sich gegenseitig angefeuert, und letztendlich hat sogar ein Team gewonnen, in dem zwei ganz kleine Huahuacha-Kinder waren. Lado hat erzählt, dass vor einem Jahr das Wochenthema "Parcours" war, und die Kinder in der ganzen Schule einen regelrechten Spiele-Marathon aufgebaut haben. Meiner Meinung nach eine tolle Idee, die Kinder können kreativ werden und sich austoben.


Die beiden Vorgängerinnen von Ann-Kathrin (Pia Maier und Emilly Riester) waren an
der Neugestaltung der Außenmauer von Casa Yanapay beteilgt. Dahinter werden
die Kinder von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Casa Yanapay betreut.
Foto: Ann-Kathrin Schmidt

Diese Woche gab es auch einen ganz besonderen Circulo de Amor: die "Kleinen" (Huahuacha, Kalpa, Wayra) haben entspannte Musik und eine Tiergeschichte angehört und sich gegenseitig dazu massiert. Es war so entspannt, dass viele Kinder am Schluss schlafend auf den Matten lagen. Einige der Kleinen sind auch in der Zeit danach nicht mehr aufgewacht, so dass wir sie schlussendlich nach Hause getragen haben. Da sie sonst immer so selbstständig sind, vergisst man schnell, wie unglaublich jung manche der Kinder sind.
In dem Raum, in dem wir die Massage gemacht haben, hängen zur Zeit viele große Bilder an den Wänden. Diese wurden von Mitarbeitern von Amnesty International aufgenommen, die sich, genau wie wir letzte Woche, mit dem Thema Wasserverschmutzung beschäftigt haben.
Es sind Portraits von Menschen, die aus ganz verschiedenen Orten in Peru stammen, aber mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben. Das Wasser, das sie trinken, womit sie sich waschen und ihre Tiere ernähren, macht krank. Schon kleine Kinder haben mit schlimmen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und im Blut der alten Frauen finden sich ein Dutzend verschiedene Schwermetalle. Es ist wichtig, den Kinder klar zu machen, wie schlimm die Situation in einigen Teilen ihres Landes ist, aber auch anderswo auf der Welt.
Unter der Woche war ich mit Charlie (eine Volontärin, die Schwedisch und Deutsch spricht und sogar ein ganzes Jahr bleibt) im Mercado de Wanchaq, der eine gute halbe Stunde entfernt ist. Dort haben wir viel Obst, Gemüse und Brot eingekauft, und ich habe mich nach den Zutaten für Spätzle umgesehen. Kurz nach meiner Ankunft in der Villa Magica habe ich nämlich Lili und Lado versprochen, dass ich für sie Spätzle koche, so wie das Julian auch immer gemacht hat. Ich war ein wenig aufgeregt, da Julian ja schon ordentlich vorgelegt hatte und ich noch nie Spätzle von einem Brett geschabt habe. Letztendlich waren die Sorgen dann aber unbegründet: so schwer ist es gar nicht, es dauert nur sehr lange. Aber zum Glück haben mir viele andere Volontäre geholfen, die von der Technik ganz fasziniert waren. Gerade noch rechtzeitig zum Quiz waren die Spätzle dann auch fertig und ich habe stolz die dampfende Schüssel herumgereicht, damit jeder mal probieren konnte. 
Weil wir zur Zeit so wenig Volontäre sind, hat sich Yuri für ein eher "einfaches" Wochenthema entschieden: Legenden, Mythen und Tänze aus Peru. Unsere Familie hat sich für die Sage der Sirenen entschieden, die mit ihrem Gesang ahnungslose Männer anlocken und sie dann ins Verderben reißen. Da am Freitag eine Art Feiertag war, haben bei der Show nur 3 Wayra-Kinder mitgemacht. Deshalb mussten wir Profes zwei Rollen spielen und ziemlich viel improvisieren, aber irgendwie ging es dann doch.


Die Vorführung der Wayra-Familie mit Koordinatorin Ladoyska (sitzend, links mit Brille)
und Ann-Kathrin Schmidt (4. von rechts). Foto: Andere Volontärin


Abendstimmung mit schöner Aussicht auf die leuchtenden
Berge, die Cusco umgeben. Foto: Ann-Kathrin Schmidt

Das Wochenende war dann vor allem von den vielen Abschieden geprägt: am Freitagabend sind wir alle zusammen essen gegangen und am Samstag zu einem Aussichtspunkt hochgestiegen, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Wir hatten noch eine tolle Zeit, auch wenn wir wussten, dass diese fast zu Ende ist.
Ich hoffe, dass ich manche von meinen neuen Freunden irgendwann wiedersehe.

Cusco, 15. September 2018
Geschrieben von Ann-Kathrin Schmidt
Ich weiß nicht, ob ich jemals genug davon bekommen werde, Neues zu entdecken

Im Gegensatz zu der letzten bin ich diese Woche deutlich entspannter angegangen. Das lag vor allem daran, dass ich mich am Wochenende erkältet habe (so wie fast unser ganzes Zimmer!). Es ist ein bisschen frustrierend, im Hostel festzustecken, wenn man weiss, dass draussen so viel darauf wartet, entdeckt zu werden. Ich denke nicht, dass ich jemals genug davon haben werde, durch die Strassen Cuscos zu schlendern und einfach mal zu gucken, was sich hinter den geschwungenen Bögen, Durchgängen und Eisentoren verbirgt.
Aber das "Zu-Hause-Bleiben" hat natürlich auch seine Vorteile: ich habe mich mittlerweile im Hostel eingelebt und bekomme die familiäre Atmosphäre zu spüren. Ob man zusammen Pizza isst, einen Film guckt oder bei der Karaoke-Version von "Dancing Queen" mehr oder weniger gut mitsingt - es herrscht ein sehr schönes Gefühl von Geborgenheit. Die regelmässigen Angebote abends sorgen dafür, dass man die Volontäre viel besser kennen lernt und auch die Mitarbeiter des Hostels, die natürlich erst recht zur Familie gehören.
Ein weiterer Vorteil ist, dass ich Zeit habe, Eindrücke richtig zu verdauen und mir Gedanken darüber zu machen.
Als ich in Deutschland losgereist bin, war mir klar, dass mich ein komplett anderer Alltag mit anderen Standards -sprich: Hygiene, Wasser, Sicherheit- erwartet. Aber das macht mir wirklich nichts aus. Was mich viel mehr bestürzt, ist der Alkoholismus in Cusco. Immer mehr Menschen in der Stadt werden süchtig nach Alkohol, und das sind nicht nur Statistiken, sondern man erlebt es jeden Tag.
Auf dem Weg zur Schule läuft man immer durch eine kleine Gasse, in der sich die Bars aneinanderreihen. Manchmal sind die Türen alle geschlossen, manchmal lugt der Kopf eines Hundes heraus, und manchmal torkelt ein Besoffener auf der Strasse herum oder legt sich in einem Hauseingang schlafen. Aber das wirklich Schlimme ist, wie es die Kinder beeinflusst, die jeden Tag so fröhlich durch die Schule springen. In einem Circulo de Amor, bei dem auch Yuri (der Gründer von Aldea Yanapay) dabei war, durften die Kinder über ihre Sorgen sprechen und für etwas bitten. Viele haben gebeten, dass ihre Familien und Freunde gesund bleiben, aber manche haben sich auch gewünscht, dass ihr Vater endlich aufhört, zu trinken.


Manchmal kann der Schein auch trügen: Nicht alle Kinder, die
bei Aldea Yanapay von Ann-Kathrin (hinten) betreut werden,
sind zuhause so glücklich wie beim Schaukeln in der
sozialen Einrichtung. Foto: Andere Volontärin


Über das Thema haben wir auch bei einem Treffen mit allen Volontären geredet, und wahre Geschichten vorgelesen, welche die Kinder in Yanapay eigenhändig verfasst haben. Es war sehr traurig; einem wird ins Gedächtnis gerufen, wie schwerwiegend und "nah" das Thema für die Kinder ist. 
Aber das ist ja auch einer der Gründe, weshalb Aldea Yanapay gegründet wurde: um den Kindern zu zeigen, dass es Alternativen zu dem gibt, was sie jeden Tag bei sich zuhause erleben, um ihren Horizont zu erweitern und vielleicht auch ein bisschen Hoffnung zu spenden. Wenn wir Volontäre uns wie Vorbilder verhalten und den Kindern eine Philosophie der Liebe, Gewaltlosigkeit und Geduld vorleben, können sie etwas davon mitnehmen und dieses vielleicht, wenn sie eines Tages Kinder haben, auch in der Erziehung anwenden.


Nicht besonders zahlreich aufgestellt ist das Team der Volontäre von Aldea Yanapay
derzeit.Nur gut, dass bereits am 26. September La Balanza neben Ann-Kathrin (3. von
links) mit Tim Tegtmeyer noch einen weiteren Volontären nach Cusco sendet.
Foto: Andere Volontärin


Manchmal ist es schwierig, zu den Kindern durchzudringen, aber mit genügend Ausdauer klappt es. Und manchmal muss man auch einfach einstecken, dass ein Kind mit einem beleidigt ist. Ein Tag in Casa Yanapay ist von vielen verschiedenen Emotionen gezeichnet: Von Verwirrung und Stress bis hin zu Stolz und purer Freude. Auch das muss man einfach hinnehmen; Emotionen zuzulassen (egal welche!) ist etwas Schönes. Ich finde es besonders wichtig, dass diese Botschaft auch den Jungs vermittelt wird, denen von Haus aus das typische Macho-Verhalten eingebläut wird. Denn sie haben natürlich genauso viele Emotionen wie die Mädchen, und wenn man ihnen verbietet, zu weinen, weil das "unmännlich" ist, staut sich die ganze Frustration und Wut nur auf und resultiert irgendwann in willkürlicher Aggression.
Und wenn die Welt eine Sache wirklich nicht gebrauchen kann, dann ist es noch mehr unnötige Gewalt.
Trotz allem sind die Kinder sehr stark und kreativ: so hat sich die Wayra-Familie auch diese Woche wieder ein nettes Theaterstück ausgedacht, diesmal zum Thema Wasserverschmutzung. Ich hatte dabei die grosse Ehre, einen Schmetterling zu spielen

Zur Zeit gibt es leider sehr wenig Volontäre, die in Casa Yanapay arbeiten, und dazu waren die Woche über auch noch viele angeschlagen. Dadurch haben sich einige Dinge geändert, zum Beispiel, dass manche Workshops nicht stattfinden konnten oder sich in Kunst die Situation von einem  Betreuungsschlüssel von 1:2 dazu ändert, dass ich zeitweise alleine im Raum stand und versucht habe, 5 Luftballons gleichzeitig festzuhalten und mit Pappmaschee zu bekleben. Aber irgendwie geht es immer, und es ist schön zu sehen, wenn nach zwischenzeitlichem Chaos doch ein tolles Ergebnis herauskommt und die Kinder sich freuen. Man lernt zu improvisieren, da jeder Tag ein bisschen anders strukturiert ist. Am Mittwoch gab es zum Beispiel als Überraschung für alle Kinder Popcorn!
Mittlerweile geht es mir wieder viel besser, ich merke kaum noch etwas von der Erkältung. Heute haben Alexis, Katja, Ivan (ein guter Freund von Alexis) und ich die Gemeinde Chincheywasi besucht, in der ein Projekt von La Balanza bereits beendet ist: eine Textilwerkstatt mit Webstühlen und Nähmaschinen, mit denen die Frauen eigene Artesanias herstellen können, um Geld zu verdienen. Bei unserem Besuch haben die Frauen jedoch angemerkt, dass sie noch Probleme mit den Nähmaschinen haben und neue Wolle brauchen. Der eigentliche Grund unseres Besuches war aber eine neue Idee der Dorfbewohner: Gewächshäuser für jede Familie, in der verschiedene Gemüsesorten angebaut und dann ausgetauscht und verkauft werden können. Viele Dinge müssen noch besprochen und kalkuliert werden, aber es ist eine gute Idee, da das Projekt den Menschen hilft, nachhaltig selbst ihr Leben verbessern zu können, sprich: "Ayuda a la autoayuda"! 
In Chincheywasi wird hauptsätzlich Quechua gesprochen, was sehr interessant klingt. Mir fällt keine Sprache ein, mit der man es vergleichen könnte. Es ist einzigartig, und deshalb ist es auch unglaublich schade, dass die Sprache solange unterdrückt wurde und die indigenen Kinder in der Schule nur Spanisch lernen. 
Genau wie in Taray herrscht auch in Chincheywasi eine sehr friedliche und entspannte Stimmung. Wir haben uns vor dem Essen noch ein wenig vor die Textilwerkstatt gesetzt, die Aussicht genossen und den Frauen beim Spannen der Fäden für die Webstühle zugesehen. Die Wollknäuel sind alle mit Naturmaterialien gefärbt, zum Beispiel mit Blumen oder Blättern. Die Farben sind aber trotzdem sehr kräftig und meiner Meinung nach auch schöner als chemische. Auch die fertigen Stoffe sehen toll aus, sie sind beidseitig mit verschiedenen Mustern bedruckt, so etwas können Maschinen gar nicht!


Bei den Frauen von Chincheywasi liefen sozusagen alle Fäden zusammen, als sie
das Garn zum Bespannen der Webstühle draußen vor der Textilwerkstatt vorbereiteten.
Foto: Iván Dávila Babilonia


Wir haben auch diesmal Kuchen mitgebracht, für den die Menschen sich bedankt haben und dann jedem von uns gleich wieder ein grosses  Stück zugeteilt haben: "Jeder bekommt etwas!"


Alexis (links), Ann-Kathrin (daneben) und Katja (3. von links) brachten zum Dorfbesuch
in Chincheywasi Kuchen mit. Foto: Iván Dávila Babilonia

Zum Essen reichte man uns außerdem verschiedene in Chincheywasi angebaute Kartoffeln und Knollen, die unter der Erde gegart wurden, zusammen mit verschiedenen Bohnen und Salat.


Die Frauen von Chincheywasi präsentierten stolz ihre Textilwerkstatt und reichten den Be-
suchern von La Balanza ihre ökologisch angebauten Kartoffeln (in gekochter Form) zum
Essen. Foto: Ann-Kathrin Schmidt
Kuchen mit. Foto: Iván Dávila Babilonia


Auf dem Rückweg haben wir dann auch noch einen kleinen Markt besucht, auf dem unter anderem auch Artesanias aus Chincheywasi angeboten wurden und zudem noch eine schier endlose Vielfalt an Kartoffel-und Maissorten, fein säuberlich aufgereit, so dass man die verschiedenen Farben und Formen bestaunen konnte.
Anmerkung von Klaus Flad:
Vielen herzlichen Dank, liebe Ann-Kathrin, für deinen Bericht. Wenn ich im kommenden (deutschen) Winterhalbjahr in Cusco zu Besuch sein werde, dann werde ich wohl oft an deine treffenden Formulierungen denken, denn ich weiß schon jetzt, dass ich auch bei meiner zwölften Reise, so wie du bei deiner ersten, nicht genug davon bekommen werde, zu entdecken, "was sich hinter all den geschwungenen Bögen, Durchgängen und Eisentoren verbirgt". Ganz besonders danke ich dir für deine Offenheit sowie für dein Verständnis für und dein großes Einfühlungsvermögen in die Situation der Kinder und Menschen in Peru.
Que te vaya bien!
Saludos y abrazos
Klaus

Cusco, 7. September 2018
Geschrieben von Ann-Kathrin Schmidt
Man sollte jede Gelegenheit nutzen - irgend etwas hat man immer davon

Jetzt ist schon eine gute Woche seit meiner Ankunft vergangen und ich kann es kaum fassen. Dadurch, dass ich so viel erlebt habe und neue Eindrücke gewonnen habe, ist die Zeit wie im Flug vergangen.
Der Abschied von Familie und Freunden war schmerzlich, aber schnell vergessen, als ich mich in das neue Abenteuer aufgemacht habe. Bereits auf der Reise bin ich vielen offenen und netten Menschen begegnet, die mir weitergeholfen haben. Trotzdem war ich natürlich froh, als die ca 20-stündige Odyssee endlich überstanden war und die letze Maschine in Cusco gelandet ist. Alexis ist draussen gleich auf mich zugekommen und hat mich herzlich begrüßt.
Mit einem Taxi ging es dann die Avenida el Sol hinauf, vorbei an Banken, Zeitungsverlägen und dem Justizgebäude, bis wir schließlich in die Avenida Baja eingebogen sind, die ihrem Namen wirklich alle Ehre macht; in der Einbahnstrasse müssen Autofahrer sehr präzise fahren und die Passanten am besten den Bauch einziehen!
Unser Ziel war eine der großen blauen Eisentüren, welche die ganze Straße zieren. Hinter dieser verbirgt sich jedoch eine ganz neue Welt: ein blühender Garten, viele Dekorationen und ein kuscheliges Hostel mit einem Empfangsraum und Esszimmer, die auch mit ganz viel Liebe bunt verziert sind. Ich habe mich auf Anhieb wohl gefühlt, alle sind herzlich und umarmen und küssen einen zur Begrüssung. Was mich auch sehr gefreut hat, ist, dass Pia Maier in der Villa Magica schon auf mich gewartet hat. Sie war bis Montag in Cusco und reist nun weiter durch Lateinamerika, hat sich aber die Zeit genommen, mich willkommen zu heissen und mich herumzuführen. Nachdem ich das 10-Bett-Zimmer bezogen habe (in dem ich am Anfang noch alleine war, purer Luxus!), haben wir uns auf den Weg in die Innenstadt gemacht und ein leckeres Essen im "Don Pimenton" bestellt.
Ich habe aber doch gemerkt, dass ich unglaublich müde bin und mir die Höhe auch ein bisschen zu schaffen macht. Als ich mit Pia Wasser kaufen war, hat sie darauf bestanden, die 7-Liter-Flasche für mich zu tragen. Das habe ich erst gar nicht verstanden, in Deutschland hätte ich damit überhaupt keine Probleme, aber im Nachhinein bin ich dankbar. Auf 3000 Metern Höhe kommt man schon bei einem leichtem Anstieg ins Schnaufen, zumindest, wenn man noch nicht daran gewöhnt ist. 
Nachdem ich ordentlich ausgeschlafen hatte, habe ich ein bisschen die Stadt erkundet und schon einige andere Volontäre aus Spanien kennen gelernt. Die haben mich dann abends zur Karaoke eingeladen, was sehr lustig war, auch wenn ich manchmal Schwierigkeiten hatte, bei ihren Gesprächen mitzuhalten. Die Tage darauf habe ich einige Sehenswürdigkeiten abgeklappert, Museen und Märkte besichtigt. Mit Alexis und Katja war ich in einem sehr netten Cafe, das sich durch italienisches Flair und exzellenten Karottenkuchen auszeichnet, Kaffe trinken.  Abends haben wir uns wieder getroffen und mit Pia, ihrer Schwester Lea und deren Freundin Petra noch ein bisschen das Nachtleben erkundet. Cusco tagsüber ist atemberaubend, aber nachts erwacht die Stadt erst richtig zum Leben. Auf jedem Platz spielt Musik und die Menschen tanzen vor der Kulisse der hell erleuchteten Berge. Überall gibt es etwas zu entdecken, Bars, die ineinander verschachtelt sind wie ein Labyrinth und Kneipen mit knallbunten Malerein an den Wänden. 
Am 4.Tag habe ich mich dann auch an mehr als an die Treppen im Supermarkt getraut: zusammen mit Pia, Lea und Petra bin ich einen der Inkawege hoch zum Affen-und Mondtempel gewandert. Das war zwar anstrengend, hat sich aber auf jeden Fall gelohnt. Auch wenn von den Tempeln nur noch Ruinen übrig geblieben sind, kann man sich ganz gut vorstellen, wie es damals ausgesehen hat. Dazu ist die Aussicht einfach unbeschreiblich, ich finde keine passenden Worte, also werde ich es gar nicht erst versuchen.

Spaß beim Affen- und Mondtempel in Cusco: (von links): 
Pia, Lea, Petra und Ann-Kathrin. Foto: Tourist


Auf dem Rückweg sind wir am Mercado de San Plaza vorbeigekommen, ein Markt, der deutlich kleiner und auch geordneter ist als der riesige Mercado de San Pedro. Dort gibt es leckere Falaffeln und frisch gepressten Fruchtsaft. Aber nicht ein kleines Gläschen, sondern einen ganzen Humpen voll, fast ein Liter!
Am Sonntag habe ich noch ein weiteres Highlight erlebt: die Parade, die jeden Sonntag in Cusco abgehalten wird. Es ist erstaunlich, dass der Umzug so oft abgehalten wird, da er sehr aufwendig ist: die qusqueñische und die peruanische Flagge werden gehisst, das Militär marschiert und dann folgen verschiedene Vereine in bunten und unglaublich detailreichen Kostümen, welche die Kultur und den Glauben der Inka mit den spanischen Einflüssen der Conquistadores verbinden. Die Gruppen führen dann einen Tanz auf und machen Kunststückchen. Das Ganze erinnert mich wirklich sehr an unsere Fasnet, nur mit weniger Süssigkeiten
Cusco ist eine Stadt voller Traditionen und Bräuche, und ich freue mich schon sehr, mehr darüber kennen zu lernen.
Am Montag war dann endlich mein erster Arbeitstag in Casa Yanapay. Am Morgen haben wir noch eine Einweisung erhalten und nachmittags sind wir dann alle zusammen zur Schule gegangen. Ich war am Freitag schon da, um die allwöchentliche Show anzuschauen, also hatte ich schon eine Ahnung, wie die Schule aussieht.
Dort wurden wir dann in verschiedene Familien (kleinere Gruppen, in welche die Kinder je nach Alter eingeteilt werden) aufgeteilt. Die Zugehörigkeit erkennt man an der Farbe der Kittel, ich trage zum Beispiel orange und bin deshalb in der Familie "Wayra" (das ist ein Quechua-Wort und bedeutet "Wind").

Ann-Kathrin (links) hat die Arbeit bei Casa Yanapay aufge-
nommen. Sie gehört zur Familie "Wayra".
Foto: Andere Volontärin

Die Zeit, welche die Kinder in Casa Yanapay verbringen, wird in 4 Teile aufgeteilt: Zunächst die Talleres, Workshops. Da habe ich Kunst, was mir sehr viel Spass macht. Die Kinder gehen sehr umsichtig mit den Materialien um und fassen auch schnell Vertrauen, umarmen und küssen einen. Die Kommunikation funktioniert erstaunlich gut, dadurch dass die Kinder nicht beleidigt sind, wenn man etwas nicht versteht, und geduldig erklären, was sie meinen. Nach der Pause, in der die Kinder spielen dürfen, gibt es den "Circulo de Amor". Dort versammeln sich alle und es wird musiziert, Filme geguckt oder meditiert. Am Montag werden dort auch immer die neuen Volontäre vorgestellt. Zum Abschluss verbringt man dann noch Zeit in den einzelnen Familien und bereitet ein Thema für die Show am Freitag vor; diese Woche ist es "Los derechos de la mujer", Frauenrechte. Die Wayras haben als Schwerpunkt Flüchtlingsfrauen und die Herausforderungen, welche diese meistern müssen. Ein sehr interessantes Thema, auch wenn es teilweise schwierig ist, den Kindern das Konzept zu vermitteln, da keiner der Volontaere in unserer Familie richtig flüssig Spanisch spricht. Aber ich bin mir sicher, dass sich das mit der Zeit bessert.
Heute Vormittag war ich zusammen mit Alexis und Emma, einer anderen Volontaerin aus Casa Yanapay, eine kleine Dorfgemeinschaft namens San Juan de Taray in den Bergen besuchen, um die Materialien für die geplante Bewässerungsanlage zu übergeben. Wir sind ein bisschen später losgekommen als geplant, weil Emma und ich uns ein bißchen verlaufen haben, und die Dorfbewohner, welche den Lastwagen mit den Materialen gefahren haben, auch zu spät gekommen sind.


Ann-Kathrin (links) packte mit an beim Aufladen der Rohre für die Bewässerungsanlage 
in der Gemeinde Taray. Foto: Alexis del Pozo

Aber manchmal muss man einfach akzeptieren, dass nicht alles so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat, sondern dass man gegebenenfalls auch einen Plan C braucht. Das Wichtige ist einfach, dass man immer ein Handy parat hat, möglichst entspannt bleibt und, wie Alexis es beschreibt, "den Chip wechselt", von Deutsch auf Peruanisch. Nachdem wir den Zement und die Rohre für die Bewässerungsanlage besorgt hatten, ging es los. Die Fahrt ging schnell vorbei, da ich die meiste Zeit damit verbracht habe, aus dem Fenster zu schauen; am liebsten hätte ich mich mal gekniffen, um zu sehen, ob ich gerade träume. Die Landschaft ist wie aus einem Märchenbuch und auch im Dorf war die Atmosphäre wahnsinnig ruhig und friedlich. Zuerst sind wir zur Schule von Taray gegangen. Das war der spontane Teil unseres Besuchs, aber die Kinder haben sich sehr gefreut und sind sofort alle auf uns zugerannt und haben uns umarmt. Dann haben wir Kuchen und Wackelpudding verteilt und die Kinder haben für uns gesungen und getanzt.


Die Kinder in der Gemeinde Taray freuten sich über
Kuchen und Wackelpudding. Foto: Alexis del Pozo

Danach ging es zu den erwachsenen Dorfbewohnern, die schon in einem Gemeinschaftsraum auf uns gewartet haben. Dort haben wir die ganzen Materialien ausgebreitet und Alexis hat mit den Männern des Dorfes -- welche die Wasseranlage bauen werden -- geschaut, ob alles da ist und den Plan erklärt. Die Hauptleitung existiert schon, aber es ist sehr wichtig, dass es auch schmalere Abzweigungen gibt, um das Wasser möglichst gleichmäßig auf den Feldern der Bauern zu verteilen. Nach der Besprechung wurde uns dann ein unglaublich leckeres Essen serviert - Meerschweinchen mit Reis, Kartoffeln und pikanter Soße. Es hat mir sehr gut geschmeckt..das leckerste Meerschweinchen, das ich je gegessen habe. Und dabei ist es egal, daß es mein erstes war!


Zu Besuch im Kindergarten von Taray. Foto: Dorfbewohner


Bespechung mit den Dorfbewohnern von Taray. Selfie: Alexis del Pozo


Übergabe der Teile für die Bewässerungsanlage in Tara (von links): Ann-Kathrin Schmidt, 
Alexis del Pozo, Emma Naef und ein Dorfbewohner. Foto: Dorfbewohner


Gruppenfoto in Taray. Foto: Dorfbewohner

Wenn ich bisher eines gelernt habe, dann ist es, dass man jede Gelegenheit ergreifen sollte, die sich einem bietet. Denn egal was passiert, irgendetwas hat man davon: schlimmstenfalls eine Lektion fürs Leben, bestenfalls schöne Erinnerungen und neue Freunde!

Anmerkung von Klaus Flad: 
Liebe Ann-Kathrin,
schon vor deiner Reise, spätestens aber beim Lesen deines letzten Absatzes dieses ersten Berichts war mir klar, dass du in Peru goldrichtig bist. Du hast genau die richtige Einstellung, um in Peru viele wichtige Erfahrungen zu machen. Ich danke dir ganz herzlich für deinen wunderbaren Bericht und für deine tollen Formulierungen. Es macht mich sehr froh, mit dir die 21. Volontärin unseres Vereins nach Peru gesendet zu haben. Ich wünsche dir weiterhin viel Freude bei deinem Freiwilligendienst. Gracias, saludos y abrazos
Klaus
Cusco, 7. de septiembre de 2018 (Deutsche Übersetzung siehe unten)
Escrito por Alexis del Pozo Aedo
Entregamos el material para el proyecto de riego de Taray
Hola Klaus: (esta vez en castellano)
Como planificado, Ann-Kathrin, Emma (amiga de Ann y voluntaria en Yanapay) y yo, visitamos la comunidad de San Juan de Taray, fue un lindo dia, empezamos temprano, comprando parte del material y cargando al camión. Claro que todos tuvimos que trabajar. En Taray visitamos espontáneamente la escuela, donde compartimos con los niños de Kinder torta y gelatina, en el kinder bailamos y los niños cantaron para nosotros, muchos saludos de todos los niños para La Balanza, claro, volveremos con una campana para todos los ninos.
Luego tuvimos una reunión con los comuneros e hicimos la entrega oficial del material para el proyecto de riego. La comunidad nos preparo un rico Cuy al Horno, ellos nos indicaron que aproximadamente a medio mes de Octubre tendrán instalados los equipos y el Proyecto de riego estará en funcionamiento, naturalmente esa fecha iremos a controlar que sea así.
Adjunto muchas fotos, muchos saludos y gracias a la Familia de La Balanza de parte de la comunidad de Taray
Saludos.
Alexis
Traducción al alemán:
Deutsche Übersetzung: 

Cusco, 7. September 2018
Geschrieben von Alexis del Pozo Aedo
Das Material für das Bewässerungsprojekt in Taray wurde ausgeliefert

Hallo Klaus, (dieses Mal auf Spanisch)
wie geplant haben wir, Ann-Kathrin, Emma (eine Freundin von Ann-Kathrin und Volontärin bei Yanapay) die Gemeinde San Juan de Taray besucht. Es war ein schöner Tag, wir haben früh angefangen, zunächst das Material eingekauft und den Lastwagen geladen. Klar, dass wir alle arbeiten mussten. In Taray haben wir spontan die Schule besucht, wo wir mit den Kindergartenkindern Kuchen und Wackelpudding geteilt haben. Im Kindergarten haben wir getanzt und die Kinder haben für uns gesungen. Viele Grüße von allen Kindern an La Balanza. Klar, dass wir wiederkommen werden mit einer Aktion für die Kinder.
Später hatten wir ein Treffen mit den Dorfbewohnern und wir machten offiziell die Ausgabe des Materials für die Bewässerungsanlage. Die Gemeinde hat uns ein leckeres "cuy al horno" (im Backofen zubereitetes Meerschweinchen) serviert, sie haben uns mitgeteilt, dass sie etwa Mitte Oktober die Bewässerungsanlage installiert haben werden und sie in Betrieb sein wird. Natürlich werden wir das dann kontrollieren, ob die Anlage fertig sein wird.
Beigefügt viele Fotos. Viele Grüße und danke an die Familie La Balanza von der gesamten Gemeinde Taray
Grüße
Alexis


Beim Verladen der Rohre für die Bewässerungsanlage in Taray. Foto: Alexis del Pozo Aedo



Ann-Kathrin und Emma (Mitte von links) bei der Ausgabe von Kuchen und Wackelpudding
an die Kinder von Taray. Foto: Alexis del Pozo Aedo

   
LInks: Ann-Kathrin bei der Kuchenausgabe.Foto: Alexis del Pozo Aedo
Rechts: Materialausgabe für die Bewässerungsanlage. Foto: Alexis del Pozo Aedo


Materialien für die Anlage zur Bewässerung der Gemüsefelder im Dorf San Juan de Taray.
Foto: Alexis del Pozo Aedo
 
  Den ein oder anderen Besucher unterschlägt der Besucherzähler. Er hat auf dieser Seite schon mindestens 371660 Besucher (806959 Hits) gezählt. Dazu kommen etwa 1200 Besucher (9500 Hits) der alten Adresse!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden